Dienstag, 20. September 2011
Mein erstes Trinkgeld...
Es hat doch auch etwas für sich, wenn man allein in der Bibliothek arbeitet. Plötzlich lerne ich auch alle unsere Nutzer kennen, denn viele von ihnen sind sehr gesprächig. Und immer wieder bin ich überraschend, wie viele Menschen aus der ganzen Welt zu uns kommen. Gestern war es eine Frau, die ursprünglich aus Litauen stammt, heute älterer Herr der eigentlich auf Urlaub ist und dennoch für seine Arbeit einige Dokumente ausdrucken musste. Als er mich nach einigen Erklärungsversuchen fragte, ob ich auch Englisch spreche, wollte ich schon beleidigt sein, dass er mein Spanisch für so unzureichend hält. Es stellte sich aber heraus, dass er eher an seinen eigenen Fähigkeiten diesbezüglich zweifelte, denn er kommt aus US-Amerika und fühlt sich mit Englisch sehr viel wohler. Einige Gesprächsminuten, Computerprobleme und gedruckte Seiten später war er so dankbar ob der geringen Druckkosten (5 Ct. Pro Seite), dass er mir sogar noch einen Fünfer in die Hand drückte. Von so einem Trinkgeld können spanische Kellnerinnen dagegen oft nur träumen, denn hier ist man damit etwas knauserig.

Trotzdem wäre es mir natürlich lieb, wenn wir für meine Kollegin bald einen geeigneten Ersatz finden könnten. Immerhin habe ich mit dem Año Aleman derzeit mehr als genug zu tun. Morgen ist bereits die Eröffnung, bei der auch die Presse da sein wird und ich eine kurze Zusammenfassung unseres Programms geben soll, und in vier Wochen soll die erste Ausstellung stehen. Noch dazu kann ich die Arbeit auch nicht einfach auf den Nachmittag verschieben. Denn das würde heißen, die zahlreichen Festivitäten, die diese Woche in Oviedo stattfinden, zu verpassen. Hier feiert man nämlich mehr als eine Woche lang San Mateo – das Fest des Heiligen Matthäus. Und dafür haben sich die Veranstalter einiges einfallen lassen.


Bereits am Samstag waren wir auf dem Festplatz, wo man nicht nur die landestypischen Speisen und Getränke genießen und sich mit Freunden treffen, sondern auch ein wenig tanzen kann, sofern man denn das richtige Zelt findet und es einem nicht peinlich ist. Man beachte auch: Bei diesem Fest lässt sich alles sehen, was in Oviedo und Umgebung ansässig ist, und zwar nicht nur irgendwie, sondern in Chic. Aber mindestens Chic. Wenn mir auch die Röcke manchmal etwas zu kurz erscheinen.

Dagegen, wenn man zu einem bezahlten Konzert geht, reiht man sich am besten mit Jeans und T-Shirt ein. Etwa bei MANA, die wir am Sonntag besucht haben. Ich habe immer noch das Gefühl, einen Hörschaden davongetragen zu haben, nicht etwa, weil die Musik zu laut gewesen wäre, sondern weil das Konzert 30 Minuten später anfing als angesagt. Es ist ja nicht so, dass Spanier als Verkörperung der Pünktlichkeit gelten würden. Wer 15 Minuten zu spät zu einer Verabredung kommt, ist hier ja meist immer noch als erster da. Aber wenn eine Mexikanische Popgruppe dann mal technische Probleme hat, gibt es kein Erbarmen. zumindest bin ich der festen Überzeugung, dass es technische Probleme gab, Víctor schob die Verspätung dagegen vehement auf die künstlerische Einfalt der Gruppe. Alle anderen Anwesenden, waren wohl seiner Meinung, denn nun wurde gepfiffen, was das Zeug hielt und der hochfrequente Ton stocherte mit Vorliebe schmerzhaft in meinem Gehör herum. Als dann aber das Konzert angefangen hatte, war alles wieder gut. MANA kann sich wohl mit Fug und Recht als künstlerisch Wertvoll bezeichnen. Eine gelungene Mischung aus tiefgehenden Balladen und gut gelaunter Popmusik – und natürlich auch nicht zu vergessen: Die Gesellschaftskritik (mit Augenzwinkern zu meinem letzten Beitrag).

Einen anderen Ton schlug dagegen Carlos Baute gestern Abend kostenlos (!!!) auf der Plaza de la Catedral an. Er stammt aus Südamerika und wird hier in Spanien vor allem von der Damenwelt angehimmelt. Seine lateinamerikanischen Rhythmen unterstreicht er sehr gerne mit entsprechenden Hüftbewegungen, die ein paar der Leser vielleicht auch vom Bauchtanz kennen beziehungsweise von der Schwangerschaftsgymnastik.

Auch wenn das Publikum den Beginn des Konzerts hier recht geduldig abgewartete und nur ab und zu scherzhaft gemeinte „Charlie Charlie“-Rufe laut wurden, musste ich mir ab und zu die Ohren zuhalten. Ganz besonders, als er eine junge Dame zu sich auf die Bühne bat, um sie zu umarmen, mit ihr zu tanzen und ihr ein Ständchen zu singen. Die Worte „te deseo“ scheinen mir zwar in Anbetracht dieses höchstens 17-Jährigen Mädchens von einem Middreißiger sehr gewagt, aber Kunst ist Kunst, und da will ich nichts weiter dagegen sagen. Allerdings, wenn die ganzen eifersüchtigen Damen direkt neben mir, die uns vorher schon mit beängstigend nahekommenden glimmenden Zigaretten bedrohten und jede ihrer Gefühlsregungen zeitgleich in Facebook posteten, die Auserwählte nun in schändlichsten Worten beschimpfen müssen, dann halte ich das doch für etwas übertrieben. Viele wissen ja, dass im Spanischen personenbezogene Schimpfwörter öfter vorkommen als bei uns. Aber dieses kleine, völlig be- und entgeisterte Mädchen als „Hija de Puta“ zu bezeichnen, weil sie im richtigen Moment am richtigen Ort war, ist nicht in Ordnung. Und schon gar nicht, wenn dies mit etwa 190 Dezibel und dazu noch hochfrequent direkt neben meinen Ohren geschieht!

Da war es doch am selbigen Nachmittag noch sehr viel leiser, als Oviedo den Auszug vieler seiner Bürger nach Amerika vor vielen vielen Jahren feierte. Der Umzug auf der Calle Uria war ein bunter Mix aus traditioneller Asturianischer Musik und Latino- sowie US-Amerikanischer Symbolik. Etwas irritiert war ich allerdings von einigen Dingen, deren Zusammenhang mit diesem Spanisch-Amerikanischen Volksfest ich nicht ganz verstehen konnte. Aber seht selbst:


Desfilo (Umzug):

Ein Cadillac, eine riesige Ananas, ein Fisch und vieles mehr. Und was bitte hat Mickey Mouse hier zu suchen???


















Und Carlos Baute...

der Mann, der alle Frauenherzen höher schlagen lässt (?)


und das Mädchen, dass in diesem Moment von allen anwesenden weiblichen Fans gehasst wird.



Donnerstag, 15. September 2011
Ich bin berühmt!
Da hat die Werbetrommel aber laut geschlagen! Immerhin erscheint mein Name heute in ganz Spanien. Es ist nämlich so, dass bereits vor einer Woche eine junge Journalistin zu mir kam, um mich über mein Leben und meine Arbeit hier in Asturien auszufragen. Natürlich wurde sie dazu angestiftet – von meinem Chef Gustavo, der jede Chance auf Publicity gerne in Anspruch nimmt. Und wer kann es ihm verübeln. Wenn der Staat der Bibliothek kein Geld geben kann, brauchen wir eben effektiveres Kapital: Bekanntheit!

Wie dem auch sei: Heute also wurde der Artikel über mich endlich veröffentlicht und zwar in der Zeitung „La Nueva España“ die in ganz Spanien verkauft wird. Das Bild darauf ist meiner Meinung nach sehr gut gelungen. Auch meine gestammelten spanischen Sätze wirken in der Version von Lorena Valdés sehr viel professioneller. Und was steht nun drin? Nun, nicht viel mehr als ihr auch immer hier lesen könnt. Einiges über das „año aleman“, das ich derzeit vorbereite und auch darüber, was mir an der Bibliothek Grado besonders gefällt: Der Enthusiasmus der Leute, die sich für die Bibliothek einsetzen.


Foto: Lorena Valdés - "Libros moscones con acento alemán ". La nueva españa (14.09.2011), (Link, siehe unten)

Auch gibt sie meine ehrliche Meinung zum großen Unterschied zwischen der Bibliothek „Valentín Andrés Alvaréz“ und deutschen wissenschaftlichen Bibliotheken wieder: Dass neue Techniken, Ausleih- und Rückgabeautomaten, ausgeklügelte RFID-Systeme und online-Fernleihe einen erheblichen Rückgang der persönlichen Betreuung darstellen, während der Bibliothekar hier immer noch eine Vertrauensperson ist, die viel weiß und ihr Wissen gerne teilt.

Und dafür wird man dann auch wieder als Person wahrgenommen. Ob auf der Straße oder in der Bibliothek – man weiß, dass ich die „nueva chica“ aus der Bibliothek bin und wenn nicht bis gestern, dann doch zumindest seit heute. Und plötzlich ergibt es für die Nutzer auch einen Sinn, dass sie von dieser neuen Mitarbeiterin so oft zu hören bekommen, dass sie sie nicht versteht. Insbesondere, wenn es sich um diejenigen Personen handelt, die eigentlich gar nicht in die Bibliothek wollen, sondern kommen um die Grundbucheintragungen ihrer Besitztümer zu erneuern. Sie müssen sich wohl von der langen Schlange vor dem entsprechenden Büro abgeschreckt gefühlt haben und nehmen lieber die andere Treppe bis zu uns. Und wenn der Nutzer mich dann – ungeachtet der ihn umgebenden gut gefüllten Bücherregale – um Formulare für diesen „Catastro“ bittet, dann eiern wir schon manchmal etwas länger herum bevor ich verstanden habe, was er will und er verstanden hat, dass er nicht im richtigen Saal dafür ist.

Umso schlimmer, dass meine Kollegin spanischer Muttersprache uns nächste Woche verlassen wird und ich dann des Vormittags erst mal allein zurechtkommen muss. Aber das wird dann das Hauptthema im nächsten Eintrag sein. Wer sich gern am spanischen Artikel versuchen will kann das gern hier tun:

http://www.lne.es/centro/2011/09/14/libros-moscones-acento-aleman/1128963.html



Montag, 12. September 2011
Blauer Himmel
Einige von euch haben mir schon zu verstehen gegeben, dass sie immer sehr neidvoll auf die wenigen Bilder, die ich hier gepostet habe, blicken. Nun ist es natürlich so, dass ich für den Blog auch immer die schönsten Bilder aussuche. Ich möchte aber auch nicht behaupten, mit dem Wetter hier unglücklich zu sein. In der Tat ist es meistens wolkig am Morgen und dann heiter bis sonnig am Nachmittag mit Temperaturen zwischen 23 und 29 Grad. Jetzt gibt es also zwei Möglichkeiten für mich, den Neid ein wenig zu begrenzen:
Entweder, ich schotte mich völlig ab, gehe nur noch arbeiten und am Nachmittag bleibe ich zuhause vor dem Fernseher sitzen, damit ich nicht mehr Sonne sehe, als meine lieben Leser in Deutschland oder ich genieße diese überraschend schönen Septembertage und schicke euch dafür ein bisschen Sonne zurück. Ich glaube, letzteres ist eine Option, mit der wir alle gut leben können, oder?
Entsprechend möchte ich hier jetzt auch mal ein paar mehr Bilder posten, und weniger langatmige Sätze verfassen. Denn wie könnte ich besser beschreiben, was ich letzte Woche so gemacht habe, als mit diesen Eindrücken?




Die "Casa-de-Cultura" mit innewohnender Bibliothek in der ich arbeite von meinem Lieblingspausenplatz aus




Und auf dem Weg dorthin: Streunende Katzen, die die Sonne genießen




Nach der Arbeit: Ein Spaziergang entlang der "Pista finlandesa" von der aus man ganz Oviedo überblicken kann




Der Berliner Victoria-Park in klein




Zeugen alter Zeiten






Strandbesuch in Xagó










Ein Nachmittag in Gijón oder Ja, auch ich sehe manchmal Wolken :)




Und zum Abschluss noch etwas (un-)appetitliches: Pulpo!
Der Tintenfisch ist hier eine Art Nationalgericht, das auch entsprechend gefeiert wird auf dem Pulpofest hier in Oviedo. Naja, nicht mein Geschmack. Aber probieren kann man ja mal.




Sonntag, 4. September 2011
Wurstsushi
Nein, das war nicht meine Idee. Obwohl ich ja hier und da für meine merkwürdigen Kreationen in Sachen Kochen bekannt bin und gelegentlich unter Geschmacksverirrung leide, Sushi mit Wurst hätte selbst ich mir nicht einfallen lassen. Hier ist es aber offenbar gar nicht so unüblich. Zumindest nicht im Restaurant namens WOK, welches ein großes und reichhaltiges Büffet spanisch-asiatischer Küche anbietet. Ich sage spanisch-asiatisch, weil ich immer wieder feststelle, dass Chinese nicht gleich Chinese ist. Je nachdem, auf welchen Geschmack man trifft, muss man sich als asiatischer Einwanderer offensichtlich auch in Sachen Küche ein wenig an seine Umgebung anpassen. Zum Beispiel habe ich gestern nirgendwo Stäbchen finden können, dafür aber gebratenes Brot. Außerdem gab es zu meinem Leidwesen keine „Ente kross“, die sonst immer meine erste Wahl ist, wenn ich denn schon mal in Richtung asiatische Küche schnuppere. Aber keine Sorge! Verhungern musste ich trotzdem nicht. Und außerdem war das Essen ja auch nicht der eigentliche Grund gewesen, am Samstag nach Gijón zu fahren. Viel mehr war es das sogenannte Hípico, was hier keinen Schluckauf darstellt, sondern das alljährliche Springreitturnier mit mehreren Wettkämpfen und Klassifikationen.

Und da ich von meiner intensiven Hemingway-Lektüre auch ein wenig geprägt wurde, habe ich mich dafür gleich einmal in Schale geschmissen. Eigentlich fehlte zu Kleid und schicken Stiefeln nur noch der große Hut mit der weiten Krempe und einem Schleifchen drum, um wie eine seiner Romanfiguren auszusehen. Mein Panamahut wollte aber nicht ganz auf die Beschreibung passen und deshalb musste es ohne gehen. Ist ja eh alles nicht ganz Stilecht. Immerhin ging Ernest immer zum Rennreiten und nicht zum Springreiten. Dafür haben wir sogar in ganz Hemingway’scher Manier mitgewettet, um die Spannung zu erhöhen oder einfach, weil es hier dazu gehört. Ich habe ein wenig das Gefühl, dass es den Besuchern gar nicht um den Sport ging, sondern eher darum, dass sie ihre Wetten gewinnen. Ganze zwei Euro kann man bei einer einfachen Wette auf das Pferd seiner Wahl setzen. Ich habe mich dabei hauptsächlich an den Eltern der Tiere orientiert, deren Namen ich noch von der Hengstparade in Neustadt-Dosse zu kennen glaubte. Viel gebracht hat dieses minimale Vorwissen allerdings nicht. Keines „unserer“ Pferde hat gewonnen. Aber gut, dann wird man wenigstens nicht süchtig nach dem Wettvergnügen. Und bei den teilweise grandiosen Leistungen der Sportler, war der Besuch auch so lohnenswert.



Ich in Hípico-Besucher-"Tracht"




Pferd und Reiter beim Aufwärmen




Und rüber!



Freitag, 2. September 2011
Zeitverschiebung
Nicht nur, dass hier die Sonne einfach mal fast eine Stunde später aufgeht, auch mit der spanischen Zeiteinteilung an sich ist das so eine Sache. Heute zum Beispiel zog sich die Zeit ziemlich in die Länge, als wir versuchten, mir ein Konto einzurichten. Mein spärliches, aber immerhin vorhandenes Gehalt muss nämlich an eine spanische Bank überwiesen werden, damit die Behörden die erhöhten Transaktionskosten einer Auslandsüberweisung sparen können. Nun geht man natürlich davon aus, dass es in der heutigen Zeit nicht so schwierig sein kann, so etwas zu realisieren.

Tatsächlich aber sagte man uns in der ersten Bank, ich bräuchte dafür eine „numero de identificación fiscal“ – sprich, ich muss mich beim Finanzamt anmelden. Dass das heute nicht mehr gehen würde, denn wir wollten ja auch noch irgendwann zur Arbeit, war ja klar. Aber auch zwei Mal fragen kostet nichts, und so sind wir einfach noch in eine andere Bank eingekehrt, damit sie uns Einlass ins Netz der Geldvermittlungen geben könnten. Und siehe da, hier waren mein deutscher Ausweis, das Training Agreement meines Stipendiums und ein Nachweis über meinen Wohnort plötzlich ausreichend, um ein Konto zu erstellen. Und nachdem die junge Dame vor uns nun alle meine Daten vorsorglich ins System eingefügt hatte, machte sie sich auch gleich daran, mir ein Konto zu eröffnen – bis das System streikte. Irgendwie wurde ihr gesagt, dass in meinen Daten keine Adresse zu finden sei. Nach etwa 15 Minuten Unterredung mit ihrer Kollegin rief sie daher in der Zentrale an. Hier sagte man ihr, dass sie lediglich vergessen hatte, die Hausnummer einzutragen, und das Programm die Adresse daher nicht erkennt. Soweit also zum Fehler im System.
Kurz und gut, wenige Minuten und gefühlte tausend Unterschriften später war mein Konto eröffnet und ich konnte auch gleich etwas Geld einzahlen, damit man meine EC-Karte bestellen kann.

Dann ging es endlich zur Arbeit, wo ich meinem Chef den Zettel mit meinen Bankdaten geben wollte. Der war aber nicht im Büro, sondern sprach mit einem Kollegen darüber, wie man das derzeit aktuelle Problem lösen könnte. Es ist nämlich so, dass heute die Eröffnungsveranstaltung für eine Ausstellung bei uns in der Casa de Cultura stattfand. Und jene Fotokunst, die man schon tags zuvor aufgehängt hatte, war teilweise zu Boden gestürzt. Mal davon abgesehen, dass einige Holzeinbindungen nun etwas eingedellt waren, mussten die Bilder natürlich bis zur Eröffnung wieder hängen. Und erneut stellte ich fest, dass die Uhren hier in Spanien etwas anders ticken. Denn während ich, die aus vorherigen Arbeiten Havariemanagement dieser Art durchaus kennt und langsam aber sicher auch beherrscht, völlig nervös durch die Gegend huschte um zu sehen, wo ich helfen kann, unterhielten sich meine Kollegen in aller Seelenruhe über die schönsten Dinge und der Künstler selbst lief mit einem seligen Lächeln die Wände entlang und brachte hier und da mal wieder eine Schraube an.

Tatsächlich hing dann auch alles zur rechten Zeit am rechten Fleck und Vicente Diaz Peñas (http://www.vdiazphoto.com/), erklärte den Besuchern gerne und ausführlich, wo er die Aufnahmen gemacht hatte, wie lange die Belichtung gedauert hatte und welche Tricks er noch anwendet, um solche Bilder zu mache. Er betonte auch, dass keines seiner Werke in irgendeiner Form mit Photoshop bearbeitet seien und bei all dem Enthusiasmus, den er an den Tag legte, glaube ich ihm das auf’s Wort.



Die Besucher der Ausstellung bewundern Vicentes Bilder



Der Bürgermeister hört andächtig zu, während Vicente seine Bilder erläutert



Gustavo (mein Chef) und Vicente posieren vor der Ausstellung (und ihrer Dekoration)



Gleichzeitig werden im oberen Flur Bilder der Schüler des Malkurses ausgestellt.



Dienstag, 30. August 2011
Sprachlos
Langsam geht es richtig los hier mit der Arbeit. Inzwischen bin ich dabei, einige Ausstellungen, natürlich sehr geringen Umfangs, zu konzipieren. Da meine bisherigen Ideen auf Zustimmung stießen, werde ich wohl in gleicher Manier fortfahren und mir damit mal wieder selbst unheimlich viel Arbeit machen. Denn wie mein Chef sehr treffend bemerkte, werde ich es sein, die diese kleinen Veranstaltungen, in deren Mittelpunkt die deutsche Literatur stehen soll, auch in die Tat umsetzt. Na dann, frohes Schaffen!

Ich denke, das kann mir nur recht sein. Besonders in dieser Woche, in der wir noch die Sommeröffnungszeiten von 9.00 Uhr bis 14.30 Uhr haben und gleichzeitig drei Mitarbeiter in der Bibliothek sind, gibt es nämlich sonst nicht viel zu tun. Und nachdem ich nun heute um die 20 Bücher zu Ende katalogisiert hatte, konnte ich auch mal ganz in Ruhe einer kleinen Gruppe von Nutzern zuschauen, die sich für einen Sprachkurs bei uns versammelt hatten. Nun könnte man natürlich sagen, ein Sprachkurs gehöre nicht in die Bibliothek, weil das viel zu laut wäre. Unter normalen Umständen würde ich dem zustimmen, hier jedoch ist das anders. Nicht, weil in spanischen Bibliotheken das Gebot der Ruhe nicht eingehalten würde – im Allgemeinen wird es das -, sondern, weil die Sprache, die diese Leute erlernen, die Gebärdensprache ist.

Ich könnte ihnen stundenlang zusehen und versuchen zu erraten, was sie gerade reden. Einige Zeichen scheinen eindeutig zu sein aber sicher sein kann ich mir natürlich nie.
Aber das ist ja nicht Neues mehr für mich. Immer öfter ertappe ich mich hier dabei, dass ich den roten Faden der Unterhaltungen meiner Kollegen verliere und beim späteren Hinhören der Anfang nicht mehr zum Ende passt. Und während ich noch denke, dass über Hunde und deren große Augen gesprochen wird, geht es in Wirklichkeit schon wieder um’s Essen. Ich hoffe inständig, dazwischen etwas verpasst zu haben. Ansonsten war das ein sehr merkwürdiger Gesprächsverlauf.

Ich frage mich ernsthaft, wie die ganzen Pilger, die derzeit zuhauf durch das kleine Grado hindurch und auch manchmal in die Bibliothek hineinziehen, eigentlich mit den Sprachschwierigkeiten zurechtkommen. Bei uns suchen sie jedenfalls nicht nach Wörterbüchern – ich nehme stark an, einen kleinen Pilgerführer werden sie dabei haben. Sie suchen nach einem kostenlosen Internetanschluss, den Grados Bibliothek natürlich bietet. Und während ich noch denke, der pilgernde Franzose vor mir würde nur darauf warten, bis der nächste PC frei wird, surft der schon gemütlich mit seinem Smart-Phone in der virtuellen Weltgeschichte herum. Ich merke schon, ich bin doch sehr Rückständig mit meinem Klapphandy.

Egal, dafür merke ich langsam, wie meine Arbeit Früchte trägt. Immer öfter werden Bücher ausgeliehen und auch schon wieder zurückgegeben, denen ich persönlich den Stempel verpasst habe. Und heute habe ich bei der Ausleihe sogar ein sehr vertrautes Wort gehört. Eines, das man gerne hört, was ich aber von einem spanischen Nutzer nicht erwartet hatte. Es stellte sich heraus, dass es auch das einzige ist, das er in der deutschen Sprache kennt. Und dann ist es auch noch eines der besten, die man kennen kann:
Danke!



Samstag, 27. August 2011
Andere Länder, andere Sitten
Das wäre ja auch noch schöner, wenn man über 2000 Kilometer von seiner Heimat entfernt wäre und alles wäre genau wie zuhause. Wenn es schon innerhalb des eigenen Landes viele Unterschiede in Alltag und Lebensstil gibt, ist das im Ausland natürlich umso deutlicher. Das fängt schon an beim Umgang mit Kollegen, Freunden, Freunden von Freunden und so weiter und so fort an, geht weiter über Alltagsangelegenheiten wie einkaufen gehen oder Arztbesuche und dann ist natürlich auch die Bürokratie hier eine ganz andere. Über besser oder schlechter kann und will ich mir hier kein Urteil erlauben. Wer in andere Länder reist, muss offen sein für Neues und sich den Gegebenheiten anpassen können. Mit ein bisschen Glück findet man auch die viele Kleinigkeiten, die am fremden System besser sind als am altbekannten.

Zum Beispiel kenne ich hier lediglich meinen Chef mit Nachnamen. Besser gesagt; mit seinen beiden Nachnamen. Die Spanier übernehmen nämlich bei ihrer Geburt traditionell den ersten Nachnahmen des Vaters und den ersten Nachnahmen der Mutter. Heißt also der Vater mit seinen „Apellidos“ A B und die Mutter C D, so heißt das Kind dann A C. Heutzutage kann man den Nachnamen aber auch völlig frei zusammenstellen, wobei aus den insgesamt vier Nachnamen einfach zwei ausgewählt werden. Na, wie viele Kombinationen gibt es dann?

Außerdem übernimmt hier bei der Hochzeit keiner den Namen des anderen. Dann gibt es wenigstens keine Scherereien mit der Bürokratie, wenn man Ausweis, Krankenkassenkarte, EC-Karten, Kreditkarten, Bibliotheksausweise oder Ähnliches ändern muss. Und da hier sogar in den Geschäften nur die Vornamen an den Namensschildern stehen, wäre ein solcher Aufwand auch völlig überflüssig. Kurz und gut: Es duzt sich jeder und ich daher auch alle meine Kollegen und natürlich auch die Eltern meines Freundes. Es wäre vermutlich sogar beleidigend oder kränkend für sie gewesen, hätte ich sie mit ihren Nachnamen angesprochen.

Weiterhin wichtig ist, dass die Namen, wie der gesamte Wortschatz überhaupt, hier weniger Konsonanten haben, als in Deutschland. Mein eigener Nachname, mit insgesamt 10 Konsonanten und nur 3 Vokalen, hat daher sogar schon einen Alarm ausgelöst. Naja, eigentlich war es nur eine Fehlermeldung. Anders als in Deutschland nämlich, wo an jeder Ecke eine Privatpraxis eines anderen Allgemeinarztes zu finden ist, geht man hier bei medizinischen Problemen ins sogenannte „Centro de Salud“. Und damit man dort auch registriert als nahe wohnhafter Bürger ist, muss man in das Computersystem eingetragen werden. Wenn dann aber ganze 5 Konsonanten hintereinander im Namensfeld erscheinen, ist der Computer doch einigermaßen verwirrt und piept ratlos vor sich hin. Glücklicherweise kann man diese Warnung einfach übergehen und somit bin ich also inzwischen auch offiziell dort angemeldet.

Das war ja dann nicht ganz so schwierig. Woran ich mich aber immer noch nur schwer gewöhnen kann ist die Tatsache, dass man den Müll hier nur abends rausbringen darf. Die Idee dahinter ist einfach: Je länger der Müll draußen in der Hitze steht, desto größer ist die Gefahr, dass es in der ganzen Umgebung stinkt. Deshalb werden hier in Oviedo die Tonnen – die erheblich kleiner sind, als ich sie aus Deutschland kenne – einfach erst abends auf die Straße gestellt und dann mitten in der Nacht wieder abgeholt. Das ist irgendwie sinnvoll, aber auch enorm unpraktisch, wenn es darum geht, den Müll einfach mitzunehmen, wenn man sowieso aus dem Haus muss. Es sei denn, man übernimmt den spanischen Lebensstil und geht abends gegen acht oder neun noch mal seine Sidra trinken. Dann müsste man aber auch so konsequent sein, nach Mitternacht heimzukehren, länger zu schlafen und erst gegen halb zehn Uhr früh zur Arbeit zu kommen, wie mein lieber Chef das gerne macht. Aber dafür fühle ich mich dann doch noch ein bisschen zu deutsch.



Dienstag, 23. August 2011
Den Zwiebelfischen auf der Spur
Selbst wenn man in einem anderen Land ist, eine neue Sprache lernen muss und sich in völlig neuen Verhältnissen befindet, passiert es früher oder später, dass sich ein kleines Gespenst namens „Alltag“ in das Leben einschleicht. Und dieses Gespenst tut dies mit Vorliebe an Werktagen wenn es einen regelmäßigen Rhythmus gibt. Dort fühlt es sich wohl, nistet sich ein und nagt ganz genüsslich am großen dicken Kuchen, der sich wiederum „Das Abenteuer“ nennt – solange, bis es ihn ganz und gar aufgefuttert hat. Aber soweit wollen wir es nicht kommen lassen. Deshalb dienen die Wochenenden dazu, dem Gespenst gehörig den Gar auszutreiben oder doch zumindest es für eine Weile fortzuscheuchen, sodass man sich innerhalb der Woche sogar damit anfreunden kann.
Und da ich mich ja derzeitig in unmittelbarer Nähe zum Atlantischen Ozean befinde und das Wetter am Samstag gar nicht mal so schlecht war, diente uns der Strand als willkommene Abwechslung – ja, es war wieder ein anderer. La Isla hieß diesmal das Ziel unserer kurzen Reise, wo wir nicht nur mit den Wellen kämpften, sondern auch mit den Fischen schwimmen konnten. Das kleine, von Felsen geschützte Meeresbecken gleich nebenan beheimatet nämlich nicht nur Algen und Korallen unterschiedlichster Farbgebung, sondern eben auch kleine Flossentiere, die man – hat man denn einen Schnorchel dabei – ganz wunderbar beobachten kann.
Den Zwiebelfisch, der sich im Titel schon ankündigt, sezierten wir dagegen am Strand – auch natürlich ist dies metaphorisch zu verstehen. Wer denn die Kolumne von Bastian Sick zu schätzen weiß, dem wird sicher auch dessen Buch „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ bekannt sein, das wir ganz zufällig mit im Gepäck hatten. Aufgrund seines Vorwortes zum inzwischen dreiteiligen Gesamtwerk entspann sich an dieser ungewohnten Umgebung eine herbe Diskussion darüber, ob der Herr Sick denn nun selbst nicht ganz fehlerfrei sei, oder ob seine Schreibweise eines sehr berühmten Romanhelden nicht doch eher in Deutschland genau so üblich und damit gerechtfertigt sei. „Don Quichotte“ und „Sancho Pansa“ heißen sie bei ihm. Eine Schreibweise, die dem Französischen entlehnt ist, aber dennoch „falsch“, im Vergleich zum originalsprachlichen „Don Quijote“ und „Sancho Panza“. Nun ist es aber so, dass die Spanier nun bei Gott nicht alles so aussprechen, wie es denn in der ursprünglichen Sprache gedacht war. Und dass fiktive Personen zuweilen in der Übersetzung ihre Namen ändern, ist auch nicht ganz neu. Da wird Peter, aus „Peter und der Wolf“ mal schnell zum Pedro (ok, mit einem Originalnamen in kyrillisch kann man da schlecht gegen argumentieren), „Hänsel und Gretel“ werden zu „Hansel und Gretel“ und die Ritter des Rechts, „Chip und Chap“ zu „Chip y Chop“. Im Übrigen heißen diese beiden im Original „Chip and Dale“, sodass uns spätestens hier klar sein muss: In fiktiven Welten gibt es keine festen Namen. Sie werden adaptiert und angepasst. Besonders in Filmen oder Büchern für Kinder ist es eben wichtig, dass sie ihre Helden überhaupt irgendwie aussprechen können, um sich mit ihnen zu identifizieren. Und da der verrückte Don Quijote sich sogar als „Ritter von der traurigen Gestalt“ bezeichnen lässt, wird er mit „Don Quichotte“ wohl gerade so leben können.



Samstag, 20. August 2011
"Meine" kleine Bibliothek
Solche und ähnliche Fragen kennen viele: „Wie? Du kommst aus Berlin und dann ausgerechnet hier her???“ Wie kommt es, dass eine junge deutsche Frau ihre Heimat gegen ein Praktikum im doch sehr kleinen 10 000 Seelen-Ort Grado eintauscht? Es ist wohl klar, dass eine solche Entscheidung nur mit Herzensdingen zu tun haben kann. Und doch habe ich das Gefühl, dass mehr dahinter steckt. Von den 22 Bibliotheken und Bibliotheksverbünden, bei denen ich mich Anfang diesen Jahres beworben hatte, haben nur drei geantwortet. Eine Antwort hieß: „Da bin ich nicht zuständig, fragen sie...“ Eine Weitere lautete schlicht und einfach nur „Nein“ und weitere 19 Bibliotheksleiter hüllten sich in Schweigen. Ganz anders der junge, engagierte Leiter des Centro de Cultura in Grado. Er bot mir nicht nur sofort einen Praktikumsplatz an, er kämpfte sich mit mir und den Kollegen von Leonardo DaVinci, welche mir mittels Stipendium mein Praktikum finanzieren, durch etlichen Schreibkram und schaffte es schlussendlich sogar, den Bürgermeister davon zu überzeugen mir ein Mindestgehalt von 150 Euro zu zahlen. Dies ist nämlich Grundvoraussetzung für die Zahlung des Stipendiums. Leonardo möchte, dass der Praktikant nicht als kostenlose Arbeitskraft ausgenutzt wird, sondern als wertvoller Teil des Unternehmens gilt.
Das Engagement, dass mir Gustavo, eben jener Leiter, entgegenbrachte, zeigt er – wie ich nach inzwischen einer Woche Arbeitszeit feststellte – in allen Bereichen seiner Arbeit. Dass die finanzielle Lage Spaniens nicht besonders gut aussieht und sich dies natürlich zuerst in den öffentlichen Ämtern und sozialen Einrichtungen niederschlägt, muss hier wohl nicht weiter erwähnt werden. Umso überraschter war ich von der Bibliothek, in welcher ich derzeit arbeite. Man kann nicht sagen, dass sie groß wäre. Dafür quillt sie aber an allen Ecken und Enden über mit Büchern. Bereits seit einem Jahr wurde hier kein Buch mehr gekauft – es gibt kein Geld mehr dafür vom Rathaus. Die vielen Kisten, die sich im kleinen Archiv stapeln und noch immer keinen Platz in den Regalen finden, stammen entweder aus der guten alten Zeit, oder aus der Hand dankbarer Leser. Erst gestern strahlte eine Leserin über das ganze Gesicht über eine dieser Spenden. Sie hatte nun endlich zwei Bücher aus einer Reihe bei uns gefunden, die sie seit Jahren suchte, und die im Handel bereits nicht mehr zu haben sind. Es sind also nicht immer die Neuerscheinungen, die den Wert einer Bibliothek ausmachen, manchmal sind es einfach die mit Liebe gehegten und gepflegten Exemplare, die man nur schweren Herzens abgibt.
Außerdem sind es die persönlichen Beziehungen, die hier aufgebaut werden. Zum einen zwischen dem Leser und der Bibliothek, zum anderen zwischen den Lesern untereinander. Viele Veranstaltungen und Initiativen hier werden von den Lesern selbst ins Leben gerufen oder zumindest mit getragen. Dazu gehört der Club der Bücher, der jährliche Spaziergang auf den Spuren des Namensgebers der Bibliothek: Valentín Andrés Álvarez, Gedichtwettbewerbe mit anschließender Publikation der besten Einsendungen im Buchformat, Märchenstunden für Kinder sowie ein Wettbewerb zur Gestaltung von Lesezeichen, die dann ebenfalls produziert werden. Im Prinzip läuft hier also alles nach dem Low-Cost-Prinzip, wobei jeder tut, was er kann. Tatsächlich ist nur der Chef dieses gesamten Kulturzentrums gelernter Bibliothekar. Alle anderen Mitarbeiter haben zeitlich begrenzte Arbeitsverträge für weniger als ein Jahr und kommen aus unterschiedlichen Professionen. Und trotzdem sind die Erfolge sichtbar und spürbar. Die Bibliothek wird reichlich genutzt, es wird viel entliehen, fast ständig befinden sich Nutzer in den Lesesälen. Mir scheint, als könne man aus dieser Bibliothek tatsächlich einiges lernen. Nicht über moderne Bibliotheksausstattung oder Best-Practise im Katalogisieren, sondern vielmehr darüber, als dem wenigen viel zu machen und, mit einem offenen Ohr für die Nutzer, alles zu ermöglichen, was irgendwie denkbar ist. Davon können wir uns in Deutschland gerne noch eine Scheibe abschneiden.



Dienstag, 16. August 2011
Mein erster Arbeitstag
Heute habe ich von meinem Chef einen sehr wichtigen Satz gelernt: „Im Sommer arbeitet man hier fast gar nicht, im Winter wenig.“ Eine scherzhaft gemeinte Aussage, die die Sache jedoch im Kern trifft. Meine Arbeitszeit hier ist eigentlich von 8 bis 16 Uhr. Daher hat mich mein persönliches Freundtaxi auch fünf vor acht vor der Tür abgesetzt. Tatsächlich ist die kleine Bibliothek Grados jedoch im Sommer nur von 9 bis 14.30 Uhr geöffnet. Und wenn das Gebäude erst ab acht geöffnet und dann auch schon um punkt halb drei abgeschlossen wird, kann man wohl nichts machen, als früh zu gehen und den Nachmittag zu genießen. Ich kann auch nicht behaupten, dass mein erster Arbeitstag so anstrengend gewesen wäre. Klar habe ich viel gelernt. Ausleihe und Rückgabe mit dem System Absynet sind bereits alltäglich geworden und die etwas anspruchsvolleren Sachen werde ich mir diese Woche noch einmal anschauen. Ansonsten bestand der Tag hauptsächlich aus reden, reden und reden – das heißt in meinem Fall eher zuhören, zuhören und zuhören. Wie bereits zuvor merke ich auch hier, dass vier Stunden in einer Fremdsprache so ziemlich das Maximum meiner Aufnahmefähigkeit darstellen. Und danach? Lächeln und Nicken. So schlimm ist es natürlich nicht. Ich habe auch später noch viel verstanden, aber man neigt dann doch eher dazu, der fremden Sprachmelodie wie Musik zu lauschen, ohne die Inhalte näher zu hinterfragen.
Einiges habe ich dann aber doch mitbekommen. So habe ich zum Beispiel viel über die Geschichte des Gebäudes, in welchem die Bibliothek ansässig ist, gelernt. Außerdem hat mir mein Chef die Kapelle gezeigt, in der des Öfteren Veranstaltungen durchgeführt werden. Bei dieser Akustik wäre ein Chorkonzert die reinste Wonne. Nur dürfte dann von Publikums-, oder Artistenseite keinesfalls geflüstert werden – jeder im Raum könnte es hören, wenn ein Wort auch nur gehaucht würde. Weiter ging es zum Ayuntamiento, dem Rathaus Grados, wo ich unter anderem dem Bürgermeister die Hand schütteln durfte! Da fühlt man sich schon so ein bisschen wie ein bunter Hund, wenn man überall mit „esta es la alemana“ – „das ist die Deutsche“ vorgestellt wird. Ansonsten bin ich bei manchen Mitarbeitern schon glücklich, wenn ich sie verstehe. Das alle schnell sprechen, ist ja klar. Aber viele Sprechen auch im Dialekt. Glücklicherweise ist asturianischer Dialekt dem Italienischen noch ähnlicher, als die spanische Sprache an sich. Im Übrigen existiert hier auch eine Diskussion darüber, ob man Städte und Ministerien nicht gleich nach dem Lokaldialekt benennen sollte. Die Idee ist, dass die akzentuierte Sprache genauso wichtig sei, wie das amtliche Spanisch. Ich weiß ja nicht, ob ich das befürworten soll. Denn „Grado“ hieße dann plötzlich „Grau“. Und das gefällt mir ja nun gar nicht!


PS:
Das habe ich in Deutschland auch noch nicht gesehen:



Ein Defibrilator zum selbst ausprobieren!