Sprachlos
Langsam geht es richtig los hier mit der Arbeit. Inzwischen bin ich dabei, einige Ausstellungen, natürlich sehr geringen Umfangs, zu konzipieren. Da meine bisherigen Ideen auf Zustimmung stießen, werde ich wohl in gleicher Manier fortfahren und mir damit mal wieder selbst unheimlich viel Arbeit machen. Denn wie mein Chef sehr treffend bemerkte, werde ich es sein, die diese kleinen Veranstaltungen, in deren Mittelpunkt die deutsche Literatur stehen soll, auch in die Tat umsetzt. Na dann, frohes Schaffen!

Ich denke, das kann mir nur recht sein. Besonders in dieser Woche, in der wir noch die Sommeröffnungszeiten von 9.00 Uhr bis 14.30 Uhr haben und gleichzeitig drei Mitarbeiter in der Bibliothek sind, gibt es nämlich sonst nicht viel zu tun. Und nachdem ich nun heute um die 20 Bücher zu Ende katalogisiert hatte, konnte ich auch mal ganz in Ruhe einer kleinen Gruppe von Nutzern zuschauen, die sich für einen Sprachkurs bei uns versammelt hatten. Nun könnte man natürlich sagen, ein Sprachkurs gehöre nicht in die Bibliothek, weil das viel zu laut wäre. Unter normalen Umständen würde ich dem zustimmen, hier jedoch ist das anders. Nicht, weil in spanischen Bibliotheken das Gebot der Ruhe nicht eingehalten würde – im Allgemeinen wird es das -, sondern, weil die Sprache, die diese Leute erlernen, die Gebärdensprache ist.

Ich könnte ihnen stundenlang zusehen und versuchen zu erraten, was sie gerade reden. Einige Zeichen scheinen eindeutig zu sein aber sicher sein kann ich mir natürlich nie.
Aber das ist ja nicht Neues mehr für mich. Immer öfter ertappe ich mich hier dabei, dass ich den roten Faden der Unterhaltungen meiner Kollegen verliere und beim späteren Hinhören der Anfang nicht mehr zum Ende passt. Und während ich noch denke, dass über Hunde und deren große Augen gesprochen wird, geht es in Wirklichkeit schon wieder um’s Essen. Ich hoffe inständig, dazwischen etwas verpasst zu haben. Ansonsten war das ein sehr merkwürdiger Gesprächsverlauf.

Ich frage mich ernsthaft, wie die ganzen Pilger, die derzeit zuhauf durch das kleine Grado hindurch und auch manchmal in die Bibliothek hineinziehen, eigentlich mit den Sprachschwierigkeiten zurechtkommen. Bei uns suchen sie jedenfalls nicht nach Wörterbüchern – ich nehme stark an, einen kleinen Pilgerführer werden sie dabei haben. Sie suchen nach einem kostenlosen Internetanschluss, den Grados Bibliothek natürlich bietet. Und während ich noch denke, der pilgernde Franzose vor mir würde nur darauf warten, bis der nächste PC frei wird, surft der schon gemütlich mit seinem Smart-Phone in der virtuellen Weltgeschichte herum. Ich merke schon, ich bin doch sehr Rückständig mit meinem Klapphandy.

Egal, dafür merke ich langsam, wie meine Arbeit Früchte trägt. Immer öfter werden Bücher ausgeliehen und auch schon wieder zurückgegeben, denen ich persönlich den Stempel verpasst habe. Und heute habe ich bei der Ausleihe sogar ein sehr vertrautes Wort gehört. Eines, das man gerne hört, was ich aber von einem spanischen Nutzer nicht erwartet hatte. Es stellte sich heraus, dass es auch das einzige ist, das er in der deutschen Sprache kennt. Und dann ist es auch noch eines der besten, die man kennen kann:
Danke!