Heute ist der 15. August. Laut meinem Vertrag mit dem Leonardo-Amt Hannover, das mein hiesiges Praktikum freundlicherweise finanziert, ist dies mein erster Arbeitstag. Tatsächlich habe ich heute aber doch nur gefaulenzt, denn hier im katholischen Spanien hat Maria Himmelfahrt eben noch eine Bedeutung – und wenn sie nur darin besteht, dass nicht gearbeitet wird. Doch es ist nicht nur dieser eine Tag, der zelebriert wird. Zumindest in Gijon, der Heimatstadt meines Freundes, finden die ganze Woche Veranstaltungen statt. Hier hat man die Möglichkeit, die asturianische Kultur etwas besser kennenzulernen. In volkstümlichen Trachten musizieren verschiedenen Künstler auf althergebrachte Weise. Besonders interessant: Der Dudelsack gehört hier zum traditionellen Ensemble dazu. Begleitet von Klavier, Schlagzeug, Bläsern oder Gitarre spielen die Musiker auf einer kleinen Bühne, während sich vor ihnen auf dem Plaza Mayor ein großer Teil der Stadtbevölkerung tummelt und andächtig den Klängen lauscht.
Wir haben natürlich nicht alle Konzerte gesehen und gehört. Dafür lud das Wetter viel zu sehr zum Strandbesuch ein. Die Strände von Perlora und Rodiles aus dem Buch der verschiedenen Strände Asturiens können wir schon einmal abkreuzen. (Dieses Buch gibt es wirklich! Es liegt im Handschuhfach ☺ ) Perlora ist relativ steinig, mit einen kleinen Meeresbucht, in der sich der Strand befindet. Dafür gibt es im glasklaren Wasser auch winzige Meerestiere zu beobachten und es wimmelt nur so von Steinen, die im Esoterikladen ein kleines Vermögen kosten würden. Zumindest glaube ich, ein paar wertvolle Exemplare gefunden zu haben. Vielleicht auch einen Bernstein, wenn es denn kein rundgeschliffenes Glas sein sollte. Rodiles ist eher der typische Urlaubsstrand. Umso voller waren auch die Parkplätze. Man badet dort in einer sogenannten Ría, für die ich aber keine Übersetzung finden kann, weil es dafür kaum oder gar kein deutsches Äquivalent gibt. Wikipedia hilft in solchen Situationen wirklich weiter:
“Die Ria (gal. ría) ist ein Küstentyp mit einer schmalen und langen, tief in das Land eindringenden Meeresbucht. Im Gegensatz zu Fjord und Förde wurde eine Ria nicht durch Gletscher gebildet. Rias gehen vielmehr aus Flusstälern hervor, die durch Überflutung von Festlandsflächen (Transgression) mit Meereswasser bedeckt wurden, ohne dass diese zuvor von einem Gletscher übertieft worden wären. Sie haben daher meist flachere Küstenverläufe und geringere Buchttiefen als Fjorde.”
(http://de.wikipedia.org/wiki/Ria)
Man beachte beim Baden unbedingt, dass es in solchen Gewässern unterirdische Strömungen gibt, die einen gerne auch auf’s Meer hinausziehen. Allerdings sind sie gekennzeichnet und das Schwimmen ist dort verboten. Die Spanier halten diesen Strand für riesig, denn hier sin des meist eher kleine Buchten, die zum Wasser führen. Im Gegensatz zu kilometerlangen Ostseestränden ist er natürlich winzig, aber das sei mal dahingestellt.
Das war also unsere Semana Grande. Nur eines, bliebe noch unbedingt zu ergänzen: Das Feuerwerk in Gijon. Man stelle sich vor, man gehe des Nachtens durch eine Stadt mit etwa 277000 Einwohnern. Von überall strömen Leute herbei. Und das liegt nicht an der kleinen süßen Ausstellung über das Ecosystem Wald. Auch nicht – wenn auch schon eher – an dem abendlichen Fußballspiel Real-Madrid gegen Barcelona (2:2), welches in zahlreichen Kneipen gesendet wird, sondern an der Vorfreude auf das alljährliche Feuerwerk, das hier vom Strand aus besehen werden kann. Nun richten sich alle Blicke erwartungsvoll zur San Lorenzo Strand. Und siehe da: Die Lichter der Strandpromenade “El Muro” erlöschen und zwischen dem Meer und den tiefhängenden Wolken steigen über 25 Minuten lang Raketen in die Höhe in einer Choreografie aus Dunkelheit und Licht, in den schönsten Farben und Formen.
Die Menschenmassen erwarten das Feuerwerk
Feuerwerk über Gijón
nadinemes am 15. August 11
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Zumindest kommt es mir manchmal so vor, wenn ich aus unserem kleinen hellen Wohnzimmer aus dem Fenster in Richtung Gebirge schaue. Dort nämlich steht eine riesige Jesusfigur, die ganz Oviedo überschaut und des Nachtens durch kräftige Scheinwerfer bestrahlt überall zu sehen ist.
Oviedo selbst hat sich bei meiner Ankunft von seiner besten Seite gezeigt. Während es gegen vier Uhr nachmittags in Madrid noch 25 Grad und eitel Sonnenschein gab, tauchte der Flieger nach Oviedo bei Landen durch dicke Wolken hindurch, die sich über dem Land ergossen. Dafür war der Wochenanfang umso schöner. Bei einem ersten Rundgang in meinem neuen Wohnort war der Himmel wieder blau, die Straßen gut gefüllt mit dem spanientypischen Geschnatter und überall lag das Gefühl von Urlaub in der Luft. Natürlich können wir uns derzeit noch nicht auf die faule Haut legen. Obwohl unsere Wohnung vollmöbliert ist, fehlte es natürlich hier und da noch an Kleinigkeiten. Daher ging es erst mal zum nahegelegenen IKEA – dem einzigen (!) hier in Asturien. Außerdem sind wir seit Dienstag offiziell in Oviedo angemeldet, haben bereits den Kühlschrank und Vorratsschrank gefüllt und einen Internetanschluss beantragt. Das wird auch Zeit, denn bei der Suche nach einer guten WLAN-Verbindung in der Stadt waren wir leider nicht sehr erfolgreich. Am Busbahnhof, der nur wenige Minuten von uns entfernt liegt, hat man manchmal Glück, was das angeht. Allerdings ist es nicht der Bahnhof, der mit Internet ausgestattet ist, sondern die Busse selbst. Sobald also ein entsprechendes Gefährt im Busbahnhof einfährt hat man genau so lange Zeit, seine Verbindung aufzubauen, bis die Passagiere ihre Koffer verstaut und eingestiegen sind. Sobald er wegfährt, ist der Traum wieder vorbei. Wie lange das dauert? Schätzungsweise 2 Minuten. Bei der langsamen Verbindung gerade genug Zeit, um das Postfach zu öffnen, eine Mail zu schreiben und kurz vor dem Senden mit der Faust auf die Bank zu schlagen, weil der Bus schon wieder abgefahren ist. Zumal diese Möglichkeit einen auch zu merkwürdigen Verhaltensweisen veranlasst – etwa, auf dem gesamten Busbahnhof auf und ab zu gehen, um zu sehen, wann der nächste Bus kommt, ob dieser Bus „WIFI“ hat und den Laptop im Stehen immer wieder eine neue Verbindung suchen zu lassen. Ich nenne das jetzt mal „WIFI“-Hopping. Und ich kann euch sagen, diese neue Sportart macht keinen Spaß!
Erste Eindrücke von Oviedo:
Das ist schon ein ziemlich großer Schritt, das Studium zu beenden, die Wohnung aufzugeben, die Hälfte des eigenen Hab- und Guts bei den Eltern zu verstauen, und den Rest wegzugeben oder in die drei Koffer zu packen um dann zu einem sechsmonatigen Praktikum in Spanien aufzubrechen. Wie gut, dass ich in den letzten Monaten zu beschäftigt war, diesen Plan ernsthaft infrage zu stellen. Ich tue es auch jetzt nicht. Allerdings wird mir jetzt bewusst, was das bedeutet. Zumindest ansatzweise – der Rest ergibt sich wohl erst in den nächsten Wochen.
Ich sehe es aber als ein gutes Zeichen, dass sich sämtliche kleine und größere Probleme, die noch vor einigen Tagen zwischen mir und meiner Spanienreise standen, inzwischen in Wohlgefallen aufgelöst haben. Auch ist der Beginn dieser Reise bisher außerordentlich gut verlaufen. Kein Stau auf der Autobahn, kein langes Anstehen am Check-In-Schalter – dank online-Check-ins und eines heroischen Papas, der sich in die Schlange drängelt um nach dem entsprechenden Bag-Drop-Schalters zu fragen. Dieser war nämlich gar nicht besetzt, sodass wir von der Iberia-Mitarbeiterin vorgelassen und zuerst bedient wurden. Entgegen meiner vorherigen Vermutung hat mich dafür auch kein Mitreisender geköpft – oder zumindest böse angesehen. Die ausgedruckten Tickets, die ich bei der Sicherheitskontrolle erst mal im grauen Kasten vergessen hatte, wurden mir ebenfalls wohlwollend zurückgegeben. Und ohne diese kleine Schusseligkeit hätte ich wohl den Lacher des Tages verpasst: Als ich auf Anfrage hin meinen Namen nannte, meinte der freundliche Sicherheitsbeamte, dass ich das „Messer“ in „Messerschmidt“ aber gesondert einchecken müsste. Haha!
In Madrid angekommen stellte ich erleichtert fest, dass ich doch nicht am Terminal 4S aus dem Flugzeug stieg, sondern gleich im Terminal 4, wo auch mein Anschlussflug nach Oviedo starten sollte. Laut der Aussage meiner besseren Hälfte müsste ich dort „den Farben des Regenbogens folgen“. Die Querstreben dieses Flughafengebäudes sind entsprechend coloriert, sodass man sich statt nur an Buchstaben und Nummern eben auch an den Farben seines Abfluggates orientieren kann. Zu schade, dass die nicht mit auf dem Ticket stehen: Terminal 4, Bereich K, Gate 69, Farbe grün. Das wäre doch mal eine Errungenschaft!
So sitze ich nun also unter grünen Balken, warte auf den Flieger, der mich in Asturiens Hauptstadt bringen soll und schreibe in der verbleibenden Zeit noch ein paar Zeilen.
Mal sehen, wann ich diese veröffentlichen kann. Denn bisher ist das Thema Internet noch ungeklärt. Aber solange kann es ja nicht dauern, bis ich wieder „erreichbar“ und „online“ bin – zurück in der virtuellen Zivilisation. Und bis dahin genieße ich mein kleines Abenteuer.
nadinemes am 11. August 11
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