Dienstag, 12. März 2013
Eine Packung Pfirsichringe
Es ist merkwürdig, wie man im Ausland plötzlich beginnt genau die Dinge toll zu finden, die man an seinem eigenen Land früher nie so richtig wertschätzen konnte. Es muss der spanische Einfluss sein, der mich dazu bringt, bei diesem Gedanken zunächst die Speisen und Getränke in meinem Kopf durchzuspielen, die ich hier bis heute nicht habe finden können.

Geflügelsalat zum Beispiel: Leckerer Geflügelsalat mit Hünchen, Ananas- und Mandarinenstücken und ganz viel Mayonnaise. Oder Sauce Hollandaise – gelb und fettig aus der 250 ml Packung. Solche Delikatessen werden hier nicht angeboten, nicht auf der Speisekarte und nicht im Handel. Auch die Würstchen sind hier nicht so, wie man es gewohnt ist – kein bisschen knackig, nicht die richtige Konsistenz. Umso schöner ist es, wenn es ab und zu im Supermarkt die sogenannten europäischen Wochen gibt. Dort wird dann ein großes Aufgebot an französischen, englischen, deutschen, belgischen, österreichischen und schweizer Speisen in den Regalen platziert und man kann sich aussuchen, wohin die kulinarische Reise diesmal gehen soll. Wir Deutschen sind mit den ganz landestypischen Bier- und Wurstsorten vertreten. Aber auch eingelegte Gürkchen und massenweise Kekse gibt es jetzt zu kaufen. Koala-Bären! Mit Schokofüllung, wie man sie aus der Kindheit kennt. Und auch Sauerkraut, was ich in Deutschland gar nicht mal so gern esse, wird plötzlich zum Hochgenuss.

Heute habe ich mich für eine Packung Pfirsichringe entschieden. Genau die. Die kleinen, weichen Gummiringe mit dem fruchtigen Geschmack und den klebrigen Zuckerkörnchen, die auf der Zunge zergehen. Und schon bin ich wieder 15 Jahre in die Vergangenheit befördert, wo ich gerade die letzte Packung verzehrt habe und mir schmerzvoll den Bauch halte. Aber auch mit 26 bin ich nicht schlauer. Obwohl mir jetzt schon leicht flau im Magen ist, werde ich diese Plastiktüte wohl noch leer bekommen, bevor ich wieder zur Arbeit muss. Das bin ich ihnen schuldig, meinen Geschmacksknospen, und dem kleinen Mädchen in mir.

PS: Ich weiß, ihr wartet seit 6 Monaten auf den zweiten Teil des Andalusienberichts, aber für eine so detaillierte Aufarbeitung lässt mir die Arbeit dann doch keine Zeit. Vielleicht gelingt es mir in den nächsten Wochen. Bis dahin, viel Spaß beim Lesen!



Freitag, 14. September 2012
Arbeit, Arbeit!
Wie läuft das eigentlich mit der Jobsuche in Deutschland? Ich habe ja noch nicht so viel Erfahrung, was das angeht, aber ich habe schon eine Vorstellung vom Ablauf. Man schickt eine Bewerbung, wartet darauf, zu einem Vorstellungsgespräch geladen zu werden, wartet auf die endgültige Entscheidung des Chefs und dann darauf, den Vertrag zu unterschreiben. Zwischen jedem Schritt liegen normalerweise ein paar Tage, wenn nicht sogar Wochen. Hier hingegen ist das manchmal anders.

Informiert hatte ich mich schon vor Monaten bei den deutschen Sprachschulen in Oviedo. Alle sagten mir, dass die neuen Kurse erst im Sommer beginnen würden und ich dann noch einmal nachfragen könnte. Also gut, dann eben warten. Meinen Lebenslauf hatten beide große Schulen und ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben. Dann der Anruf – den ich verpasste. In Bibliotheken muss man bekanntlich das Handy leise stellen, sodass ich gar nichts davon bemerkt hatte. Die E-Mail jedoch ist mir sofort aufgefallen: Wir brauchen noch Leute, um unser Kursangebot aufzustocken. Wollen sie nicht ein Vorstellungsgespräch machen?

Es war gegen 11 Uhr am Montag morgen, als ich diese Nachricht bekam. Das Vorstellungsgespräch, dass ich dann telefonisch vereinbarte, war zwei Stunden später. Zwei Tage später hatte ich bereits eine Probestunde gegeben und die feste Zusage, dass ich Anfang Oktober anfangen könne in der Tasche. Natürlich hat mir das einige Pläne durcheinander geworfen. Aber bei einem Job für neun Monate, mit Krankenversicherung und ordentlichem Gehalt kann man nicht einfach „Nein“ sagen.

Jetzt warte ich nur noch darauf, dass die Kurse endgültig festliegen und ich meinen Vertrag unterschreiben kann. Bis dahin machen wir Urlaub in Andalusien. Aber davon berichte ich euch beim nächsten Mal.



Donnerstag, 14. Juni 2012
Ausblick
Ich hatte es schon einmal erwähnt: Wenn ich, wie schändlicherweise auch in den letzten Wochen, nichts Neues in meinen Blog schreibe, dann kann das verschiedene Ursachen haben. Eine mögliche Hauptursache ist, dass einfach nichts Erzählenswertes passiert. Eine andere, dass zu viele Dinge passieren und ich nicht dazu komme, zu schreiben. Im derzeitigen Fall gilt glücklicherweise Letzteres. Und deshalb gibt es jetzt einiges aufzuarbeiten, worüber ich euch hier gerne einen kleinen Überblick verschaffen möchte. Eine Art Probehäppchen also, für die Dinge, die da kommen mögen.

Die „Feria de Artesania“, eine kleine Landwirtschafts- und Handwerksmesse aus dem guten alten Asturien fand am Wochenende nach Pfingsten statt. Hier in Spanien ist Himmelfahrt nämlich kein gesetzlicher Feiertag. Also feiern wir einfach ein paar Tage später.

Am „Martes de Campo“ hingegen, dem Dienstag nach dem Pfingstwochenende, dürfen die Einwohner Oviedos zuhause bleiben. Er hat hier in Oviedo eine lange und schöne Tradition. Welche genau, erfahrt ihr im entsprechenden Artikel.

Weiterhin musste ich in den letzten Wochen Abschied von einigen guten Freunden nehmen, die aus deutschsprachigen Landen kommen und ein paar Monate hier verbracht haben. Diese meine sogenannten „Stammtischfreunde“ sind inzwischen fast alle auf der Heimreise oder schon zuhause angekommen. Hoffen wir, dass bald andere austauschfreudige Menschen folgen, sodass wir dienstagabends wieder eine neue Runde aufmachen können.

Damit bin ich schon wieder am Ende meines Ausblicks angelangt und beginne nun, wirklich zu schreiben. Viel Spaß beim Lesen!



Sonntag, 11. März 2012
Picos de Europa
Es ist schon wieder passiert. Ein Flugzeug ist in Oviedo gelandet und hat uns jemanden mitgebracht. Dieser jemand ist natürlich nicht irgendwer – in eifrigen Nadineinspanien-Leserkreisen ist er, bzw. sie auch als ‚DieSchwester’ bekannt, was unsere Beziehung zueinander wohl hinreichend beschreibt. Also: Meine Schwester hat uns besucht!

Das ist nun schon wieder mehr als eine Woche her. Die Eindrücke, die wir in diesen wenigen Tagen gesammelt haben, sind aber längst noch nicht verflogen. Wir hatten nämlich Glück. Asturien hat sich von seiner besten Seite und uns seine schönsten Sehenswürdigkeiten im besten Licht gezeigt. Das heißt natürlich nicht, dass wir immer nur Sonnenschein gehabt hätten, aber gerade in den Bergen kann so ein bisschen Nebel schon mal ganz besondere Wirkung entfalten. Fangen wir von vorne an:

Ich hatte sie ja erst gar nicht gesehen. Die Lautsprecher am Flughafen hatten bis jetzt erst die Landung des vorherigen Flugs aus London angekündigt, sodass ich nichtsahnend auf einem Stuhl saß und an meiner Cola nippte, als sie plötzlich neben mir stand. Wir hatten noch mehr als eine Stunde Zeit und ich entschied, ihr gleich mal eines der typischsten Merkmale dieses kleinen Landes zu zeigen, die gestelzten Getreidespeicher namens Hórreos – Richtig, man spricht es fast genauso wie den bekannten Schokokeks, aber es ist eben kein Oreo, sondern ein ziemlich großes Holzhäuschen, dass zum Schutz vor Nage- und anderen Tieren mehrere Meter über der Erde steht und nur über eine Betontreppe zu erreichen ist. Damit war der erste Haken im Reiseführer schon mal gesetzt.

Zurück in Oviedo machten wir einen kleinen Stadtspaziergang. Neben zahlreichen Kirchen und Statuen widmeten wir uns natürlich auch den asturischen Köstlichkeiten: Die Speisen wurden wohlwollend aufgenommen; dass beim kunstvollen Eingießen der Sidra aus Kopfhöhe ins hüfthoch gehaltene Glas öfter mal etwas daneben ging und den Boden besprenkelte dann doch eher nicht. Aber man kann eben nicht alles mögen.

Ein etwas weiterer Ausflug führte uns dann auf die Picos de Europa – eine Bergkette, in deren Inneren sich ein kleiner, klarer See auftut und noch schneeumhüllten Gipfel auf seiner Oberfläche spiegelt. Der blaue Himmel tat sein Restliches dazu, um die Landschaft malerisch zu verschönern.



Nach einem kurzen Abstecher zur Höhle von Covadonga fuhren wir zum fuhren wir weiter zum Aussichtspunkt ‚Mirador de El Fito’, wo uns gleich zwei Überraschungen erwarteten. Die erste setzte sich zusammen aus einer Gruppe von acht großen, spitzhörnigen Kühen, die von ihrem Besitzer im Gänsemarsch durch die Landschaft gerufen wurden. Da gab es keine Stöcke oder Lockkmittel. Alles was er machte, war sich auf eine Anhöhe zu stellen und nach ihnen zu rufen. Als sie kamen, setzte er sich wieder ins Auto zu seiner Familie und fuhr zur nächsten Anhöhe, während wir den Tieren staunend hinterher sahen und dem Läuten ihrer Kuhglocken lauschten.



Ob sie wohl von unserer Reiseverpflegung probieren wollen?

Die zweite Überraschung auf dem ‚Mirador’ war die Aussicht. Von früheren Besuchen wusste ich, dass man von hier aus gleichzeitig die Berge und das Meer sehen kann. Dieses Mal blieb uns dieser Anblick allerdings verwehrt. Stattdessen konnten wir ein anderes Schauspiel betrachten: Der Nebel, der aufgekommen war, floss ruhig und gemächlich von den Bergspitzen hinunter und legte sich über das Land. Es sah aus wie Zuckerwatte, weiße Zuckerwatte, die sich langsam den Weg durch die Baumwipfel bahnte.



Nach diesem Anblick schlossen wir den Ausflug mit einem gemütlichen Picknick am Strand ab.

In den folgenden Tagen machten wir zunächst Oviedo unsicher, stürmten das größte Shopping-Center in der Nähe und wanderten gemütlich durch die Altstadt, um uns abends von Naranco aus alles noch einmal von oben anzusehen. Noch einmal schlafen, und schon ging es nach Grado in ‚meine’ Bibliothek – in der sich die Lage leider noch kein Stück verbessert hat – und durch das kleine aber feine Stadtzentrum. Nachmittags nahm uns ein Kollege mit nach Gijón, wo wir die Strandpromenade entlang wanderten, die Altstadt bewunderten und uns durch das Gewühl der öffentlichen Verkehrsmittel schlugen um letztendlich tatsächlich an der erstaunlicherweise sehr belebten ‚Universidad Laboral’ anzukommen.

Zum Abendessen entführte uns mein spanischer Privatführer dann in ein Restaurant in der Nähe eines Schauplatzes von ‚Volver a empezar’ – Oscargewinner für den besten ausländischen Film des Jahres 1983! Die entsprechende kleine Brücke und den Waschplatz haben wir uns natürlich auch noch angesehen, bevor es endgültig nach Hause ging. Und schon war der Besuch wieder vorbei. Ein weiteres Flugzeug erhob sich in die asturischen Lüfte und trug meine Schwester sicher wieder zurück nach Berlin.



Montag, 20. Februar 2012
An diesem Tisch ist lernen verboten
Auch nach mehr als sechs Monaten in Spanien gibt es hier immer noch Dinge, die mich überraschen. Umso mehr, wenn sie sich in mir eigentlich doch sehr vertrauten Fachgebiet der Bibliotheken abspielen. Aus meiner eigenen Erfahrung in Deutschland und auch aus zahlreichen Kursen und Unterrichtsstunden war in mir die Idee erwachsen, dass ein Bibliothekar immer versucht, seine Bibliothek für alle Nutzer möglichst vielseitig und nutzerfreundlich zu gestalten. Und was den Bereich Service angeht, kann man ja hier auch wirklich nicht meckern. An der Informationstheke sind immer freundliche Mitarbeiter zu finden, Sonderdienste wie Fernleihe oder sonstige Medienbeschaffung sind eine Selbstverständlichkeit und das sogenannte „WIFI“, also ein WLAN-Netzwerk, dass mit oder ohne Kennwort für jeden Bibliotheksnutzer zur Verfügung steht, bieten fast alle öffentlichen Bibliotheken im näheren Umkreis an.

Umso mehr verwunderte mich der sehr erboste Blick der Bibliothekarin, als ich mich neulich mit meinem Laptop auf an die helle Fensterwand der Villa Magdalena setzte. Hier könne ich meinen Computer auf keinen Fall benutzen. Dafür gäbe es schließlich den entsprechenden Computerraum mit drei freien Plätzen für die Laptopnutzung. Ja, drei freie Plätze, jeweils postiert an einem schmalen Tisch mit wunderbarem Blick auf die graue Betonwand und etwa einem Meter Entfernung zum Tischnachbarn. Dass ich in diesem Moment nicht einmal das Internet nutzen wollte, war der Dame dann auch egal. Der Raum, in den ich mich frecherweise gesetzt hatte, war zum Zeitunglesen konzipiert worden und genau dafür durfte er auch genutzt werden – und für nichts anderes.

Von diesem Erlebnis geprägt kehrte ich wenige Stunden später in die Biblioteca de Asturias ein, um dort in Ruhe weiterzuarbeiten. Diesmal hielt ich auch die Augen offen für etwaige Hinweis- und Verbotsschilder. Ich wollte ja niemandem seinen Platz streitig machen! Offenbar ist jedoch die Biblioteca Ramón Pérez e Ayala etwas freizügiger, was die vielseitige Nutzung ihrer Räume angeht. Ein Schild fiel mir dennoch ins Auge: „Dieser Tisch ist reserviert für Nutzer, die unsere Medien einsehen wollen. Lernen ist hier strengstens verboten!“.

Mal davon abgesehen, dass ich immer dachte, Bibliotheksbücher seien auch zum Lernen da, hielt ich dieses Schild und den Gedanken dahinter zunächst für absolut absurd. Warum darf ich an einem Tisch lernen und am nächsten schon nicht mehr? Wen soll ich bei der Einsicht in Bibliotheksmaterialien stören, während ich leise für die nächste Medizinprüfung pauke?

Aber wie immer gibt es auch für diese, mir sehr absonderlich erscheinenden Reglementierungen einen guten Grund. Dieser ist nämlich, dass Oviedo eine Universitätsstadt ist. Und weiterhin, dass die Bibliotheken hier nicht totgesagt, sondern gerne und von vielen Nutzern besucht werden. Demzufolge könnte es tatsächlich passieren, dass die Tische, die eigentlich zum Lesen der Zeitung, zum konsultieren der Referenzwerke oder zum Studium der Bibliotheksbücher gedacht sind, plötzlich alle von eifrigen Studenten belegt werden, die das angenehme Bibliotheksambiente ihren universitätseigenen Studienplätzen vorziehen. Und dann hat Opa Klaus plötzlich keinen Platz mehr, um in Ruhe seine Montagszeitung durchzugehen, und muss ungetaner Dinge wieder nach Hause gehen. Und das wäre doch wirklich ein Jammer!

Und genau deswegen wird hier alles akribisch geregelt. Wo darf ich Zeitunglesen? Wo darf ich meinen Laptop aufstellen, an welchen PCs darf ich vielleicht sogar Chat-Programme benutzen und wo ist das strengstens untersagt? In welcher Bibliothek darf ich aus dem Internet Dokumente (PDF-Anhäge, Worddokumente oder vielleicht sogar ein legal bei Saturn erstandener Musiktitel?) herunterladen und wessen WIFI-Einstellungen verbieten dies schon von vornherein? In welchem Raum darf ich mein Wasser trinken? Und vor allem: Wo darf ich leise mein Buch lesen ohne jemanden zu stören?

Wer bei seinem nächsten Spanienbesuch lieber vorbereitet sein und nirgendwo anecken will, sollte bei jedem Besuch eines öffentlichen Gebäudes genau diese Fragen lieber vorher stellen. Und vergesst nicht, euch überall förmlich anzumelden und alle Formulare auszufüllen; wer nicht registriert ist kommt nämlich nicht rein! Und da sagen die Spanier, wir wären quadratisch!



Samstag, 11. Februar 2012
Der Himmel klart sich auf
Es hat aufgehört zu regnen. Nach einigen Tagen sehen wir hier das erste Mal wieder die Sonne. Die Flüsse, deren Wasserspiegel teilweise mehrere Meter angestiegen waren, pegeln sich langsam wieder auf ein normales Maß ein. Die neugebaute Gradoer Schienenunterführung, in der das Wasser über einen Meter hoch stand, ist auch bald wieder befahrbar und die Welt kehrt wieder zur Normalität zurück.

Nicht so allerdings in der Gradoer Stadtbibliothek. Hier steht ab nächstem Montag ein großer Umbruch bevor, denn mein Praktikum läuft langsam aus. Nicht, dass ich meinen Wert dort für unschätzbar halten würde, aber bei der Wahl zwischen einer unausgebildeten Aushilfskraft und einer unausgebildeten Aushilfskraft plus ausgebildeter Praktikantin ist letzteres schon erheblich besser. Zumal der Einsatz neuer Kräfte derzeit noch nicht in Sicht ist. Die Stelle eines Bibliothekars ist zwar ausgeschrieben, das Geld fehlt aber hinten und vorne und daher wird sie einfach nicht besetzt. Stattdessen kürzen wir unsere Öffnungszeiten nun von 10.30 Uhr bis 21 Uhr auf 12.30 Uhr bis 21 Uhr, mein Chef Gustavo verbringt zwei Stunden seiner sowieso knapp bemessenen Zeit hinter dem Bibliothekstresen und dann schlägt sich den Rest der Zeit das „Mädchen für alles“, in diesem Fall aber ein Mann, mit den Kindern herum, die jeden Nachmittag die Bibliothek stürmen.

Ich bin sehr gespannt, ob ich, wenn ich als Nutzer mal wieder vorbeischaue, überhaupt noch ein Buch an der richtigen Stelle wiederfinden werde. Vielleicht packt mich ja dann wieder der bibliothekarische Ordnungswahn und ich verbringe meine Freizeit damit, die von den Nutzern verstellten Bücher an ihren Platz zurück zu bringen. Derzeit aber gedenke ich, den kommenden Montag als meinen letzten, wenn auch außerplanmäßigen Arbeitstag anzusehen. Denn laut Praktikumsvertrag ist meine Arbeit in Grado beendet. Nur die Besprechung der asturianischen Bibliothekare über Leseförderung und Projektorganisation in Pravia möchte ich mir trotzdem nicht entgehen lassen. In Sachen Eigeninitiative kann man nämlich von diesen Leuten noch eine ganze Menge lernen.

Und danach? Bleibe ich erst mal hier. Unsere kleine Wohnung haben wir ja bis Juli gemietet und ein spanischer Sommer mehr wird mir sicher nicht schaden. Das ist für mich auch eine wunderbare Möglichkeit, mich mit anderweitigen Projekten zu beschäftigen und wenn ich Glück habe, flattert mir in den nächsten Monaten sogar noch ein Arbeitsvertrag von der Bibliothek ins Haus. Es bleibt also spannend und ihr bekommt in diesem Blog noch einige Geschichten zu lesen.
Und falls ihr auch noch mal woanders nachschauen wollt, was ich so mache, verweise ich mit Freuden auf die folgende Adresse:

http://nadinemesserschmidt.weebly.com/index.html

Viel Spaß beim Schmökern!



Sonntag, 18. Dezember 2011
Überschwemmt
Manchmal freut man sich über den Regen. Auch wenn er kalt ist und nass und dank starken Windes in wenigen Sekunden beide Hosenbeine völlig durchnässt hat. Am Freitag waren die Milliarden von Tropfen der reinste Segen für viele Orte nahe der Autobahn zwischen Oviedo und Grado.

Nicht nur, weil es bereits vor Sonnenaufgang 20 Grad waren, sondern vielmehr wegen den haushohen Flammen, die sich am Morgen durch die Wälder fraßen. Erst habe ich gar nicht weiter darauf geachtet. Hier in Spanien sind die Städte so stark beleuchtet, dass man öfter mal das Gefühl hat, es wären Feuer, die den Himmel so erleuchteten. Aber dann habe ich die Unruhe im Bus bemerkt und mit einem Blick aus der Frontscheibe war auch schon klar, woher sie rührte. Die Brände waren kilometerweit entfernt. Trotzdem konnte ich die Feuerzungen sehr gut erkennen und einzeln ausmachen. Der starke Wind, der auch den Bus öfter mal zur Seite zu drängen versuchte, hatte das Feuer zusätzlich angeschürt und über sämtliche Wälder und Berge verteilt. Noch dazu sagte ein Fahrgast, dass es etwa 5 Uhr morgens sogar schlimmer gewesen sei. Wie das Feuer ausgelöst wurde, ist laut Medienberichten immer noch nicht ganz klar. Aber eins ist sicher, der stürmische Regen zur Mittagszeit hat gestern einige Häuser vor den Flammen gerettet, die die Feuerwehr sicher nicht mehr lange unter Kontrolle hätten halten können.

Der Anblick hat mich einigermaßen aus der Ruhe gebracht. Waldbrände kenne ich aus dem Fernsehen und der Zeitung, aber selten schaue ich minutenlang aus dem Bus zu, ohne zu wissen, wie es überhaupt dazu kam und wen meiner neuen Bekannten es betrifft. Entsprechend verrückt verlief auch der Morgen und ich war fast schon gewillt, mich aus dem angekündigten großen Weihnachtsessen der öffentlich Angestellten Grados auszuklinken. Dies aber hätte mein Chef mit Sicherheit nicht erlaubt. Es wäre auch schade darum gewesen. Ein Abend mit nahezu 40 Mitarbeitern aus dem Rathhaus, aus der Casa de Cultura, aus der Musikschule und wer weiß, woher noch, dazu sehr gutes Essen und eine Life-Band, sowie jede Menge neue Bekanntschaften – so etwas sollte man sich nicht entgehen lassen.


Der Bürgermeister spricht einen Toast aus

Wann hätte ich sonst life miterleben können, wie leicht angetrunkene Kollegen tatsächlich beginnen, traditionelle asturianische Volkslieder zu singen? Und wann hätte ich sonst die Möglichkeit gehabt, Arm in Arm mit der Kulturbeauftragten Grados zu tanzen? Tatsächlich war ich etwas überrascht, mit welcher Energie und Freude die doch schon etwas älteren Kollegen den Paso-Doble, den Twist, aber auch eine mir schon eher vertraute Freestyle-Form tanzten. Nur sollte man deshalb nicht glauben, sich einfach gehen lassen zu können. Wer bei Shakira zu stark die Hüften schwingt, wird ziemlich merkwürdig angesehen. Und wie ich aus vertrauenswürdiger Quelle erfahren habe, sind die Spanier auch ganz schöne Lästermäuler. Ich bin gespannt.


Party!!!



Dienstag, 6. Dezember 2011
Das gibt’s doch nur im Märchen!
Eine Woche ist es schon her, dass die neue Ausstellung: „El mundo de los cuentos“ (Die Welt der Märchen) in der Casa de Cultura de Grado eröffnet wurde. Sie ist schön geworden, besonders deswegen, weil sie klein ist und sich vorrangig an Kinder richtet. Entsprechend waren die Vorbereitungen auch längst nicht so aufwändig, wie die für die „Geheimnisse deutscher Autoren“. Acht kleine Poster erzählen in wenigen Sätzen über die Besonderheiten der Literaturgattung: Märchen. Dazu gibt es einiges an Büchern zum bestaunen, zum stöbern, zum lesen und ausleihen. Und natürlich: Luftballons! Die waren ja sowieso das Highlight der Eröffnung, die wir sinnigerweise mit einer Märchenstunde verbunden hatten. So konnten die Kinder das gehörte nach der Geschichte auch gleich in der Ausstellung vertiefen. Ich sage: ‚konnte’, denn ob sie das tatsächlich gemacht haben, kann ich kaum beurteilen.


Das Kaminzimmer ist für eine Märchenausstellung doch wohl bestens geeignet


Dieses Feuer entspricht allen Sicherheitsbestimmungen

Einigen Eindruck muss aber zumindest die Pressemitteilung gemacht haben, die mein Chef an sämtliche Zeitungen, Radios und ans Fernsehen geschickt hatte. So klingelte dann bereits am Mittwoch das Bibliothekstelefon und ich, nichtsahnend, hörte mich plötzlich mit einem Radiomoderator sprechen. Er würde gerne ein Interview mit mir machen und das ganze dann in seiner Sendung ausstrahlen, sagte er. Und ich, völlig überrumpelt, verschob den Termin von hier auf jetzt lieber erst mal auf den Folgetag. So konnte ich mich erst mal von dem Schreck erholen, meinen Chef anfauchen, warum er mir nichts gesagt habe (er selbst wusste allerdings auch nichts darüber) und mich eingehend auf die möglichen Fragen vorbereiten. Donnerstag um 11. Uhr riefen sie dann erneut an. Plötzlich wusste ich, wie sich die armen Kandidaten bei „Wer wird Millionär“ immer fühlen. Denn wenn es darum geht, das eigene Wissen oder Unwissen der ganzen Welt preiszugeben, wird auch mir ganz schön mulmig. Kurz und gut: Als ich das Interview dann abends um sieben im Radio hörte, hatte ich das Gefühl, nur Quatsch geredet zu haben. Allerdings waren sowohl der Moderator, als auch meine bessere Hälfte der Meinung, es sei absolut in Ordnung gewesen. Und in diesem speziellen Fall, glaube ich ihnen sehr gerne.



Donnerstag, 10. November 2011
Der perfekte Apfelkuchen
Man nehme: 150 Gramm Mehl, 50 Gramm Zucker, ein Päckchen Backpulver, ein Ei und etwa 100 Gramm warme Butter, verrühre alle Zutaten in einer Schüssel und quirle sie danach noch 5 Minuten mit dem Handrührgerät auf höchster Stufe. Man schäle drei Äpfel aus eigenem Anbau und schneide sie in schmale Streifen. Man fette und mehle eine Backform, verteile den Teig gleichmäßig auf deren Boden, ordne die Apfelstücken nach Belieben auf dem Teig an und stelle das ganze bei etwa 175 Grad für 45 Minuten in den Backofen. Den fertigen Kuchen abkühlen lassen und dann volle zwei Tage und drei Nächte im Kühlschrank stehen lassen. Warum? Weil man jedes Mal, wenn man zum Bus sprintet, vergisst ihn mitzunehmen!

So zumindest habe ich es gemacht, obwohl der Kuchen ja eigentlich der freundliche aber eindeutige Hinweis darauf sein sollte, dass ich am Montag Geburtstag hatte. Wie sonst kommt man ins Büro und sagt das, ohne fordernd oder egozentrisch zu wirken? Mir ist keine Methode eingefallen, weshalb meine Kollegen auch nicht wissen konnten, dass ich am Montag ein Vierteljarhundert alt wurde. Seit gestern dann schon.
Aber es wussten ja viele andere. Mehrere e-Mails, unzählige Facebookeinträge und sogar noch einer im StudiVZ (ja, das gibt’s noch), eine SMS, zwei Telefonanrufe und zwei Glückwunschkarten bezeugen dies unwiderruflich.
Und ich habe mich natürlich wahnsinnig gefreut. Nicht nur, dass so viele Leute in Deutschland an mich gedacht haben, auch meine bessere Hälfte hat ganz genau nachgefragt um alles so zu machen, wie ich es mir wünsche. Demzufolge standen außer meinem Geschenk also auch ein kleiner Blumentopf und eine leckere Geburtstagstorte mit genau 25 Kerzen, sowie daneben auch die Lebenskerze auf dem Frühstückstisch. Da kann man wohl nichts anderes mehr sagen, als: Perfekt.


Mein Geburtstagstisch reich gedeckt

Und allzu alt scheine ich auch mit 25 noch nicht auszusehen. Die Lehrerin einer Schülergruppe der sechsten Klasse verwechselte mich gleich mal mit einem ihrer Schützlinge und schickte mich „zur Gruppe“ zurück. Allerdings hatte sie auch nicht gemerkt, dass ich in diesem Moment mit jener Hälfte der Gruppe eine Übung im „Bücher-nach-Signatur-Suchen“ machte. Durch ihre Unaufmerksamkeit hat sie daher nicht nur meine Autorität, die durch gelegentliche grammatikalische Fehler sowieso schon angekratzt war, endgültig untergraben, sondern auch die ganze Übung nichtig gemacht. Also, liebe (angehende) Lehrer: Wenn ihr mit euren Kindern in eine andere Institution geht, und das Personal dort eine Führung macht, dann hört doch wenigstens mit halbem Ohr hin, was gesagt wird, damit so ein Faux-Pas nicht passiert. Und werft vielleicht auch wenigstens eines eurer Augen auf das, was vor sich geht, damit ihr nicht andere und euch selbst vor den Kindern lächerlich macht. Vielen Dank.

Die Kinder waren natürlich reichlich quirlig und laut. Unserer latenter Dauerbesucher und Vor-dem-Computer-Sitzer hielt sich schon die Ohren zu und der Lehrer war der festen Überzeugung, dass Kinder in Deutschland nicht so wären. Nun, ich kenne keine einzige Gruppe von Kindern, in denen nicht ein oder zwei wären, die Unruhe verbreiten und die anderen ablenken, sodass der Lärmpegel bis ins Unendliche steigt – ob sie jetzt deutsch sind, spanisch, italienisch oder französisch. Man redet in diesem Zusammenhang gerne vom Mangel an Respekt und davon, dass die Jugend immer schlimmer werde. Aber ich möchte gerne daran erinnern, dass solcherart Einschätzungen auch von allen anderen Generationen vor uns über die nächste Generation getätigt wurden. Und vielleicht ist es ja auch gar nicht so schlecht, dass Kinder heutzutage keine Rohrstockhiebe mehr von den Lehrer bekommen, dass Eltern, die ihre Kinder schlagen, nicht gelobt, sondern angezeigt werden, und dass man auch seine Meinung sagen darf, ohne volljährig zu sein.

Zumindest in Deutschland und Spanien – mit Ausnahmen natürlich, die ich nicht negieren will. Für andere Länder lege ich meine Hand erst recht nicht ins Feuer. Dazu habe ich erst gestern viel zu viele Leute gesehen, die genau wie ich eine NIE, eine „Numero de Identificación de Extranjeros“ beantragt haben, und die nicht wirkten, als wollten sie hier nur ein Praktikum machen oder als wären sie aus Beziehungsgründen gekommen. Ich denke, bei denen steckt durchaus mehr hinter der Einreise. Glücklicherweise – für sie und für mich – ist dieser Prozess mit zwei Amtsgängen bereits erledigt und die Betreuung ist auch ausgesprochen freundlich. Ich weiß zwar nicht, wie es jenen ergeht, die kein Spanisch sprechen, aber ich zumindest musste lediglich einen Termin beantragen, ein paar Dokumente mitbringen, 10,20 Euro bezahlen und einen Tag später konnte ich meine gültige Karte abholen. Das heißt jetzt natürlich nicht, dass ich inzwischen eine waschechte Spanierin wäre. Es handelt sich lediglich um ein Dokument, dass jeder, der mehr als 3 Monate in Spanien ansässig ist, gesetzlich beantragen muss, und dass mir sagt, dass ich für die spanische Regierung jetzt offiziell Ausländerin bin.


Auf dem Weg zum Amt - im Parque San Francisco