Donnerstag, 9. August 2012
Deutschland : Eine Sommerreise - Teil 1 : Ankommen
„Ich bin zurück in der Zivilisation“, schrieb vor Kurzem eine Freundin in einem bekannten sozialen Netzwerk, nachdem sie Oviedo verlassen und wieder nach Deutschland gezogen war. Als ich allerdings vor knapp zwei Wochen meine Füße auf deutschen Boden setzte, schien es mir eher andersherum zu sein.

Ich hatte bereits morgens gegen acht Uhr das Haus verlassen, war zweieinhalb Stunden durch den Regen gefahren und hatte mich schweren Herzens von meiner besseren Hälfte verabschiedet, um meiner Heimat und meiner Geburtstagsmama einen Besuch abzustatten. Wie die Fluggesellschaften es aber immer so wollen flog ich nicht direkt nach Berlin, sondern nach Frankfurt/Hahn. Dorthin nämlich kam ich von Asturien aus am günstigsten und langsam glaube ich auch zu wissen warum:

Frankfurt/Hahn ist ein verhältnismäßig kleiner Flughafen. Von einem Ende zum anderen läuft man vielleicht fünf Minuten, mit schweren Koffern höchstens zehn. In der Zeit kommt man im Terminal 4 in Madrid gerade mal an einem viertel der Gates vorbei. Aber ich war nicht in Madrid. Ich war in Frankfurt/Hahn und wollte bis zum Abend ganz gerne in Hagen ankommen, wo ich eine Nacht bei einer Freundin verbringen sollte. Die Reise dahin hatte ich bestens geplant, ich wusste, wann und wo ich umsteigen musste, ich wusste, von welchem Gleis ich zu welchem anderen Gleis musste und wie lange die Fahrten dauern sollten. Was ich nicht wusste war, wo am Flughafen Frankfurt/Hahn der Bus nach Koblenz abfahren würde, aber es konnte ja nicht so schwer sein, das herauszufinden. Immerhin war ich ja in einem Land, das für seine gute Organisation berühmt berüchtigt ist und die Landessprache war meine Muttersprache. Aber da hatte ich falsch gedacht!

Zunächst einmal endete das Schilderleitsystem zu den Bussen mitten im Flughafen, ohne einen Hinweis darauf, wohin man sich nun richten sollte. Direkt vor dem Ausgang standen dann auch nur die Busse zu den nächstgelegenen Großstädten und vor dem Ticketschalter stand eine große Schlange. An der Reiseinformation im Flughafen konnte mir die Dame von der Deutschen Bahn keinerlei Auskunft dazu geben, wo eventuelle Busse fahren. „Wir sind hier von der Deutschen Bahn. Wegen der Busse müssen Sie schon zur Businformation gehen“, wurde mir unfreundlich entgegengeworfen. Immerhin wusste sie, wo diese zu finden sein sollte. Ich entschloss mich, einfach außen am Flughafen entlang zu laufen. Möglicherweise gab es ja doch noch irgendwo eine weitere Busspur und wenn nicht, konnte ich auf der anderen Seite wieder hinein und zur Businformation gehen. Es gab weitere Busse, nur konnte man nicht erkennen, wohin sie fahren sollten. Der Busfahrer, den ich nach Koblenz fragte, konnte mir auch keine Informationen geben. Stattdessen schickte er mich ebenfalls zur „Information dans l’aéroport“. Er sprach nur Französisch!

Die Businformation war nicht besetzt. Ein freundliches Schild wies darauf hin, dass man gleich wieder beraten werden würde, nur eben jetzt nicht. Allerdings stand ein Herr mit Mitarbeiterausweis und Krücken vor dem Schalter und gab sämtlichen Wartenden Antwort auf ihre Fragen – wenn er auch nicht wusste, wie aktuell seine Informationen seien. So erfuhr ich, dass hinter dem Parkplatzwächterhäuschen noch ein großer Busbahnhof sei, von welchem auch der Bus nach Koblenz abfahren sollte. Fahrscheine gab es entweder dort, oder beim Ticketschalter vor dem Flughafen. Ich nahm mit meinen Köfferchen und zog los.

Ein Parkplatzwächterhäuschen gab es nicht. Dafür aber einen kleinen Unterstand, an welchem man seine Parkscheine lösen konnte und eine nette Dame, die wartend davor stand. Von ihr erfuhr ich, dass der Busbahnhof die Straße runter sei. Ich folgte dem Weg, den sie mir gezeigt hatte, sah mich aber nur auf Felder und Landstraßen zugehen. Sollte ich jetzt bis nach Koblenz laufen? Nein, ich hatte Glück, tatsächlich gab es einen Busbahnhof. Er hatte sich nur frecherweise hinter dem neugebauten Parkhaus versteckt und niemand hatte daran gedacht, ihn irgendwie auszuschildern. Allerdings gab es dort keinen Ticketautomaten. Also lief ich zurück zum Tickethäuschen am Flughafen. Auch hier konnte man mir nach Koblenz keinen Fahrschein verkaufen. Außerdem sagte man mir, der nächste Bus käme 17.15 Uhr, statt 16 Uhr, was bedeutet hätte, dass ich meine sämtlichen Zugverbindungen verpassen würde. Aber zum Glück gab das Internet mir recht. Der zuständige Verkäufer war nicht über die Fahrplanänderungen informiert worden und hatte noch die alten Fahrzeiten an der Wand zu kleben. Gut, wenn man nicht alles glaubt, was die Information einem sagt.

Ich kaufte meinen Fahrschein im Bus selbst, fuhr nach Koblenz und von dort aus mit dem Zug nach Köln. Von Köln nach Hagen ging es weiter im IC. Zumindest vorerst. Ganze zehn Minuten waren wir gefahren, bevor der Zug auf unbestimmte Zeit halten musste. Es gäbe eine Signalstörung, sagte man uns. Dann hieß es plötzlich, ein Stellwerkschaden hätte den gesamten Bahnverkehr in der Umgebung aufgehalten und wir ständen Schlange, um irgendwie weiter zu kommen. Die Fahrt ging weiter bis zum nächsten Bahnhof, wo wir auf Wunsch aussteigen oder sitzenbleiben konnten. Nach einer Stunde verteilte der freundliche Bahnschaffner Fahrgastrechtbriefe – mit mehr als einer Stunde Verspätung hatten wir nämlich das Recht, 25 Prozent unseres Fahrpreises zu reklamieren. Der Vater und seine vier Söhne, die mir gegenüber saßen konnten sogar noch mehr sparen. Sie waren schon wegen eines „Personenschadens“ auf einem Bahnhof sitzen geblieben und freuten sich nun über satte 100 Euro, die sie zurückbekommen würde. Die Jungs hielten sich auch tapfer mit jeweils einem Freigetränk und einem Wassereis aus dem Speisewagen. Nur, ob sie den Bus nach Hause noch kriegen würden, wussten sie nicht. Die Fahrt ging weiter. Den Kritischen Bereich um Solingen umfuhren wir einfach und hielten stattdessen in Düsseldorf. Der Rest der Strecke wurde planmäßig abgefahren – nur eben 80 Minuten später.

Nach dreizehn Stunden Flug-, Fahrt- und Wartezeit erreichte auch ich vorerst mein Ziel. Am Bahnhof Hagen wurde ich abgeholt und wenige Minuten später saß ich schon mit einem Glas Wein in der Küche. Ein Prosit, sage ich da nur, auf die deutschen Verkehrsbetriebe!



Sonntag, 8. Juli 2012
Der Stammtisch geht in die Sommerpause
Jetzt muss ich mir für meine Dienstagabende erst einmal eine neue Beschäftigung suchen, denn für den Moment ist mit dem wöchentlichen Stammtisch erst mal Schluss. Es wären auch ein paar sehr einsame Treffen oben im Café Oriental. Unsere spanischen Mitglieder sind immer noch in der Stadt und gehen ihren täglichen Geschäften nach, unsere deutschsprachigen Mitglieder aber haben sich bereits in Etappen zum naheliegenden Flughafen begeben und sich wieder auf die weite, deutschsprachige Welt verteilt.

Schließlich kann sich ein Erasmusstudent seine Aufenthaltsdauer auch nicht unbegrenzt aussuchen und selbst wenn einige diesen von einem halben auf ein ganzes Jahr verlängert haben, heißt das nicht, dass sie für immer bleiben können. Zuhause sind noch Kurse zu absolvieren, Prüfungen zu bestehen, Bachelor- oder Masterarbeiten oder gar Bewerbungen für das Berufsleben zu schreiben. Das sind Dinge, die man monatelang verdrängen oder vergessen konnte, aber jetzt kommt immer der Tag, an dem man die Koffer packen und nach Hause fliegen muss. Zum Glück weiß ich, dass man sich wiedersehen wird – sei es persönlich während eines Besuchs, oder digital über die allseits bekannten sozialen Netzwerke. Briefe schreiben wir ja nicht mehr...

Und was kommt gemeinhin vor jeder Trennung? Die Abschiedsfeier natürlich! Und diese sind normalerweise genauso ausgelassen am Anfang wie rührselig am Ende. Da helfen einige Tricks, um den Abend zu einer sehr schönen Erinnerung zu machen.


Diese kleinen Gentleman warteten geduldig auf die Gäste - sehr lecker übrigens...

Punkt Nummer 1: Gutes Essen! – Aber Achtung, wenn einfach jeder etwas mitbringen soll, stehen schnell mal drei Thunfisch-Empanadas auf dem Tisch. Oder das Hauptgericht wird fast im Ofen vergessen.


Noch mehr leckere Sachen...

Punkt Nummer 2: Multimediale Unterhaltung! – Sei es ein abwechslungsreiches Musikprogramm oder das Fußballspiel Spanien gegen Italien, welches vom Erasmus-Gastland gewonnen wird; alles hilft für die gute Stimmung.
Punkt Nummer 3: Spiele! – Habt ihr schon mal Activity mit mehrsprachigen Personen gespielt? Da muss man erst mal verstehen, was man überhaupt erklären soll. Wenn man Pech hat, malt man nämlich eine Pflaume, die auch richtig erraten wird, obwohl auf der Karte eigentlich das Wort Kirsche steht. Das gibt keine Punkte...


So sieht Einsatz aus!

Egal wie amüsant der Abend auch ist, am Ende kommt der Augenblick des Abschieds, der nie leicht ist. Da bleibt wohl nur, sich auf den neuen Stammtisch zu freuen mit seinen neuen Mitgliedern und neuen Bekanntschaften. Aber die gilt es erst mal zu finden...



Martes de Campo
„Was ist das denn?“, wird sich hier jeder Deutsche fragen, aber sicherlich wissen auch einige Spanier damit nichts anzufangen. „Felddienstag“ ist nämlich einer dieser Feiertage, die auf bestimmte Regionen begrenzt sind, in diesem Fall auf Oviedo. So kommt es, dass rund um Oviedo jeder arbeiten muss und wir in der Mitte sitzen und uns über einen freien Tag an der Sonne freuen können.

Ich hätte ja auch die Möglichkeit, an den Strand zu fahren und mir die Sonne auf den Pelz brennen zu lassen, aber meine Haut beschwert sich noch immer über den letzten Sonnenbadetag, sodass ich ihr erst einmal eine Auszeit gönne. Stattdessen lasse ich mir den traditionellen Martes-de-Campo-Ausflug vorleben und tauche auch gleich ins Erlebnis mit ein. Dafür grundlegend ist zunächst einmal das sogenannte „Bollo Preñado“, ein mit Chorizo gefülltes Brötchen – „Schwangeres Bällchen“ genannt – und natürlich ein paar Flaschen Sidra.


Am "Martes de Campo" ähneln die Parks in Oviedo jenen im sommerlichen Berlin - nur, dass hier auch Sidraflaschen neben die Picknickdecke stehen...

Besonders begeistert bin ich, als ich mit meiner kleinen Tüte vom Bäcker im Park ankomme und alles bestens vorbereitet finde. Nicht nur Sidra und Bier stehen in den Kühltaschen bereit, auch Gläser wurden mitgebracht, Flaschenöffner, Chips, Flips, Sonnencreme und Handtücher zum Sitzen. So viel Organisation hatte ich für solch einen Tagesausflug gar nicht erwartet, aber ich genieße das gemütliche Zusammensein mit Freunden an einem warmen, sonnigen Tag – im Schatten natürlich. Als es langsam kühler zu werden beginnt, wandern wir weiter zur nächsten Kneipe, wo wir den Abend zur Nacht machen und langsam ausklingen lassen. An solche Traditionen kann ich mich gerne gewöhnen...