Die Narren sind los
Rosenmontag ist schon längst vorbei. Und auch wenn ich persönlich ein bisschen spät dran bin mit meinem Bericht darüber: die Spanier lassen sich keine Minute des feuchtfröhlichen Fests entgehen. Besonders praktisch: Die Umzüge finden hier an verschiedenen Tagen statt.
Während in Avilés bereits am 18 Februar die Straßen gesperrt wurden, um dem Umzug freie Bahn zu geben, waren die Jecken und Narren in Gijón erst am eigentlichen Rosenmontag unterwegs. Und da mischten wir uns dann auch gerne mit unter die Massen. Ohne Verkleidung, wir waren ja nur Zuschauer, aber eigentlich heißt das hier nichts. Bereits im Zug fand ich mich nämlich unter gruseligen Untoten, unter feschen Hexen oder wilden Piraten wieder. Die Kostüme sind hier meistens komplett gekauft worden – mit allen notwendigen Accessoires ausgestattet, um das Bild perfekt zu machen. Der dicke Clown entbehrt natürlich nicht seiner gelben Wasserspritzblume, die Flamenco-Tänzerin schlägt aufreizend ihren schwarz-roten Fächer zusammen und der Zweijährige auf Papas Schultern kann kaum etwas sehen, weil ihm die grauen Dumbo-Ohren immer wieder vor die Augen fallen. Und nicht nur die weiblichen Vertreter der Faschingsanbeter sind hinter den mit schwarzen Lidschatten bemalten Augen und den gepuderten Wangen kaum noch erkennbar – unter den Männern scheint das liebste Kostüm auch das komplizierteste zu sein, denn bestimmt ein Drittel der verkleideten Männer gehen als Frau.
Aber das sind nur Kleinigkeiten im Vergleich zu jenen Karnevalsgruppen, die dann durch die Feststraßen ziehen. Hier wird getanzt gesungen und manchmal sogar gelächelt. Ein besonderer Hit: Laufende Sidra-Flaschen.
Und auch die deutsche Kultur ist vertreten. Unter den allerletzten Festwagen befindet sich nämlich ein schwarzes Puzzle-Auto, deren Mitfahrer die Pappmaschee-Puzzleteile immer wieder abnehmen und anstecken – ein Kunstwerk, dass ich mithilfe der Schriftzüge auf der Frontseite symbolisch als stückweise Zerstörung des Landes durch die Krise verstehe. Und wo bleibt jetzt Deutschland? In der akustischen Untermalung! Denn die Begleitmusik setzt sich aus verschiedenen Songs von Rammstein-Alben zusammen.
Na dann: Helau und Alaaf!
nadinemes am 05. März 12
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An diesem Tisch ist lernen verboten
Auch nach mehr als sechs Monaten in Spanien gibt es hier immer noch Dinge, die mich überraschen. Umso mehr, wenn sie sich in mir eigentlich doch sehr vertrauten Fachgebiet der Bibliotheken abspielen. Aus meiner eigenen Erfahrung in Deutschland und auch aus zahlreichen Kursen und Unterrichtsstunden war in mir die Idee erwachsen, dass ein Bibliothekar immer versucht, seine Bibliothek für alle Nutzer möglichst vielseitig und nutzerfreundlich zu gestalten. Und was den Bereich Service angeht, kann man ja hier auch wirklich nicht meckern. An der Informationstheke sind immer freundliche Mitarbeiter zu finden, Sonderdienste wie Fernleihe oder sonstige Medienbeschaffung sind eine Selbstverständlichkeit und das sogenannte „WIFI“, also ein WLAN-Netzwerk, dass mit oder ohne Kennwort für jeden Bibliotheksnutzer zur Verfügung steht, bieten fast alle öffentlichen Bibliotheken im näheren Umkreis an.
Umso mehr verwunderte mich der sehr erboste Blick der Bibliothekarin, als ich mich neulich mit meinem Laptop auf an die helle Fensterwand der Villa Magdalena setzte. Hier könne ich meinen Computer auf keinen Fall benutzen. Dafür gäbe es schließlich den entsprechenden Computerraum mit drei freien Plätzen für die Laptopnutzung. Ja, drei freie Plätze, jeweils postiert an einem schmalen Tisch mit wunderbarem Blick auf die graue Betonwand und etwa einem Meter Entfernung zum Tischnachbarn. Dass ich in diesem Moment nicht einmal das Internet nutzen wollte, war der Dame dann auch egal. Der Raum, in den ich mich frecherweise gesetzt hatte, war zum Zeitunglesen konzipiert worden und genau dafür durfte er auch genutzt werden – und für nichts anderes.
Von diesem Erlebnis geprägt kehrte ich wenige Stunden später in die Biblioteca de Asturias ein, um dort in Ruhe weiterzuarbeiten. Diesmal hielt ich auch die Augen offen für etwaige Hinweis- und Verbotsschilder. Ich wollte ja niemandem seinen Platz streitig machen! Offenbar ist jedoch die Biblioteca Ramón Pérez e Ayala etwas freizügiger, was die vielseitige Nutzung ihrer Räume angeht. Ein Schild fiel mir dennoch ins Auge: „Dieser Tisch ist reserviert für Nutzer, die unsere Medien einsehen wollen. Lernen ist hier strengstens verboten!“.
Mal davon abgesehen, dass ich immer dachte, Bibliotheksbücher seien auch zum Lernen da, hielt ich dieses Schild und den Gedanken dahinter zunächst für absolut absurd. Warum darf ich an einem Tisch lernen und am nächsten schon nicht mehr? Wen soll ich bei der Einsicht in Bibliotheksmaterialien stören, während ich leise für die nächste Medizinprüfung pauke?
Aber wie immer gibt es auch für diese, mir sehr absonderlich erscheinenden Reglementierungen einen guten Grund. Dieser ist nämlich, dass Oviedo eine Universitätsstadt ist. Und weiterhin, dass die Bibliotheken hier nicht totgesagt, sondern gerne und von vielen Nutzern besucht werden. Demzufolge könnte es tatsächlich passieren, dass die Tische, die eigentlich zum Lesen der Zeitung, zum konsultieren der Referenzwerke oder zum Studium der Bibliotheksbücher gedacht sind, plötzlich alle von eifrigen Studenten belegt werden, die das angenehme Bibliotheksambiente ihren universitätseigenen Studienplätzen vorziehen. Und dann hat Opa Klaus plötzlich keinen Platz mehr, um in Ruhe seine Montagszeitung durchzugehen, und muss ungetaner Dinge wieder nach Hause gehen. Und das wäre doch wirklich ein Jammer!
Und genau deswegen wird hier alles akribisch geregelt. Wo darf ich Zeitunglesen? Wo darf ich meinen Laptop aufstellen, an welchen PCs darf ich vielleicht sogar Chat-Programme benutzen und wo ist das strengstens untersagt? In welcher Bibliothek darf ich aus dem Internet Dokumente (PDF-Anhäge, Worddokumente oder vielleicht sogar ein legal bei Saturn erstandener Musiktitel?) herunterladen und wessen WIFI-Einstellungen verbieten dies schon von vornherein? In welchem Raum darf ich mein Wasser trinken? Und vor allem: Wo darf ich leise mein Buch lesen ohne jemanden zu stören?
Wer bei seinem nächsten Spanienbesuch lieber vorbereitet sein und nirgendwo anecken will, sollte bei jedem Besuch eines öffentlichen Gebäudes genau diese Fragen lieber vorher stellen. Und vergesst nicht, euch überall förmlich anzumelden und alle Formulare auszufüllen; wer nicht registriert ist kommt nämlich nicht rein! Und da sagen die Spanier, wir wären quadratisch!
nadinemes am 20. Februar 12
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