Dienstag, 13. Dezember 2011
Der Frosch auf dem Totenschädel
Die Spanier haben einen komischen Humor. Manchmal zumindest weiß ich nicht so richtig, ob ich lachen soll, oder ob ich lieber demonstrativ irritiert eine Augenbraue hochziehe. Wie wäre es denn zum Beispiel, wenn man die alten ehrwürdigen Mauern des Berliner Doms restaurieren müsste und als kleines Novum zum langweiligen Original einen kleinen Astronauten in die Fassade ritzt? Grausam, oder? Versuchen wir nicht sonst immer, alte Kulturschätze so detailgetreu wie möglich zu bewahren? Nein, ein Kosmonaut in den jahrhundertealten Gefilden wiederzuentdecken ist doch witzig. Und Humor ist doch viel wichtiger als Kulturgut. Aber beginne ich doch erst mal von vorn.

Wir hatten (mal wieder) Urlaub. Und da wir nicht neun Tage im trübsten Dezember zuhause hocken wollten, haben wir uns einfach ein bisschen Sonne bestellt und sind gen Süden gefahren. Erneut nach Kastilien. Aber Kastilien ist flächenmäßig eben viel größer als Asturien und bietet allein deswegen auch ein paar mehr Reiseziele. León zum Beispiel, mit seiner gotischen Kathedrale oder Zamora mit der romanischen.


Die romanische Kathedrale in Zamora

Dort habe ich auch mein bisher leckerstes Fischgericht essen können: Kabeljau in Ziegenkäsesoße – einfach zum Dahinschmelzen. Natürlich nicht in der Kathedrale, selbst, sondern in dem wunderbaren kleinen Restaurant „El Mirador“ von dem man, ganz dem Namen nach, eine schöne Aussicht auf den Fluss Duero hat. Neben der mittelalterlichen „Puente de Piedra“ und den alten Burgmauern sind hier auch die tierischen Architekturkünste sehenswert: Storchennester so weit das Auge reicht und die schwarz-weißen Federtiere überall. In Scharen, die ich sonst eher von Spatzen oder Tauben kenne, flogen sie über die Stadt und ließen sich überall nieder, wo es Platz gab, egal, ob das Gemäuer nun fünf oder fünfhundert Jahre alt war.


Puente de Piedra (Zamora)

Aber wir mussten weiter. Das Hotel war schließlich nicht hier, sondern in Salamanca gebucht und wartete auf unseren Besuch. Etwa eine ruhige Autobahnstunde später erreichten wir die älteste Universitätsstadt Spaniens, soll heißen, die Stadt mit der ältesten Universität Spaniens. Und tatsächlich, auch derzeit tummeln sich hier noch allerlei Studenten. Das Durchschnittsalter der Menschen auf den Straßen liegt etwa 30 Jahre unter dem der Leute, denen ich täglich in Grado begegne. Und es war laut. Ein ständiges Flattern und Fiepen, nicht etwa von angetrunkenen Jugendlichen, sondern vielmehr von den völlig verwirrten Vögeln auf den Monumenten. Wer könnte es ihnen verübeln, dass sie aufgebracht sind, wenn die Mauern so stark beleuchtet sind, dass ich trotz schwarzem Sternenhimmels problemlos ohne Blitz fotografieren konnte.


Plaza Mayor de Salamanca

Aber wir ließen uns von dem Gekreisch nicht beirren, sondern nutzten den Abend, um gleich die „wichtigsten“ Dinge unter die Lupe zu nehmen: Den Plaza Mayor, das Muschelhaus und die alte und die neue Kathedrale. Die letzten beiden sind übrigens in einem einzigen Gebäude „verwachsen“. Als nämlich im Jahre 1254 die vorherige „Allgemeinschule des Königreichs“ vom König Alfonso X zur Universität erhoben wurde, reichte die alte Kathedrale den Bedürfnissen der bald nicht mehr aus, um der hohen Studenten- und damit auch Einwohnerzahl gerecht zu werden. Also wurde an die alte Kathedrale einfach eine neue, erheblich größere Kathedrale angefügt, sodass das Gesamtgebäude eine sehr ungewöhnliche Struktur erhielt.


Die alte und neue Kathedrale

Und an der Fassade der Kathedrale, der Universität und sämtlicher anderer wichtiger Gebäude sieht man ständig das Wort „Victor“ aufblitzen. Natürlich in leicht verschlüsselter, symbolisierter Form. Es ist nämlich Tradition, nach vollendetem Abschluss dieses Siegeszeichen, ergänzt durch den eigenen Namen an den Dom zu malen. Da der aber sicherlich bald mit diesen Symbolen zugekleistert sein würde, suchen sich die Studenten nun neue Wände dafür. Praktisch eigentlich: Wenn an der Humboldt-Universität jemand so etwas machen würde, könnten die Gebäudereiniger gleich den Namen des Schuldigen ablesen und ihn mit einer Ordnungsklage zur Rechenschaft ziehen. Es ist eben eine andere Welt.


"Victor"-Symbole in der Universität

In Berlin sucht man schließlich auch nicht nach Fröschen, um die Prüfung zu bestehen. Ich weiß nicht, welche zahllosen Glücksrituale deutsche Studierende so haben. Hier in Salamanca jedenfalls heißt es, wer ohne Hilfe an der Fassade der Universität den Frosch auf dem Totenschädel fände, müsse ums Bestehen nicht mehr bangen. Na dann Glück auf an alle Studenten und viel Spaß beim Suchen. Vielleicht gibt es für den Astronauten ja auch noch Extrapunkte.


Die Fassade der Universität von Salamanca - mit Frosch (irgendwo)

Wir jedenfalls nutzten den Folgetag, um die Stadt noch einmal ausgiebig im Tageslicht zu begutachten. Am Donnerstag ging es dann über Umwege weiter nach Valladolid. Unglaublich kalt, diese Stadt. Nicht, dass mir nicht bewusst wäre, wie viel kälter es derzeit in Deutschland ist, aber der Sonnen-Wolken-Unterschied von einem Tag zum anderen wirkte wie ein Standortwechsel nach Alaska. Zu allem Überfluss waren auch noch sämtliche Restaurants entweder völlig überteuert, oder nur ein wenig überteuert und dafür rammelvoll. Aber wir haben am Ende doch noch etwas zu essen gefunden und nach einer schnellen Stadtbesichtigung – rennen macht ja bekanntlich warm – ging es wieder zurück nach Hause.


Valladolid im Weihnachtsfieber



Dienstag, 6. Dezember 2011
Das gibt’s doch nur im Märchen!
Eine Woche ist es schon her, dass die neue Ausstellung: „El mundo de los cuentos“ (Die Welt der Märchen) in der Casa de Cultura de Grado eröffnet wurde. Sie ist schön geworden, besonders deswegen, weil sie klein ist und sich vorrangig an Kinder richtet. Entsprechend waren die Vorbereitungen auch längst nicht so aufwändig, wie die für die „Geheimnisse deutscher Autoren“. Acht kleine Poster erzählen in wenigen Sätzen über die Besonderheiten der Literaturgattung: Märchen. Dazu gibt es einiges an Büchern zum bestaunen, zum stöbern, zum lesen und ausleihen. Und natürlich: Luftballons! Die waren ja sowieso das Highlight der Eröffnung, die wir sinnigerweise mit einer Märchenstunde verbunden hatten. So konnten die Kinder das gehörte nach der Geschichte auch gleich in der Ausstellung vertiefen. Ich sage: ‚konnte’, denn ob sie das tatsächlich gemacht haben, kann ich kaum beurteilen.


Das Kaminzimmer ist für eine Märchenausstellung doch wohl bestens geeignet


Dieses Feuer entspricht allen Sicherheitsbestimmungen

Einigen Eindruck muss aber zumindest die Pressemitteilung gemacht haben, die mein Chef an sämtliche Zeitungen, Radios und ans Fernsehen geschickt hatte. So klingelte dann bereits am Mittwoch das Bibliothekstelefon und ich, nichtsahnend, hörte mich plötzlich mit einem Radiomoderator sprechen. Er würde gerne ein Interview mit mir machen und das ganze dann in seiner Sendung ausstrahlen, sagte er. Und ich, völlig überrumpelt, verschob den Termin von hier auf jetzt lieber erst mal auf den Folgetag. So konnte ich mich erst mal von dem Schreck erholen, meinen Chef anfauchen, warum er mir nichts gesagt habe (er selbst wusste allerdings auch nichts darüber) und mich eingehend auf die möglichen Fragen vorbereiten. Donnerstag um 11. Uhr riefen sie dann erneut an. Plötzlich wusste ich, wie sich die armen Kandidaten bei „Wer wird Millionär“ immer fühlen. Denn wenn es darum geht, das eigene Wissen oder Unwissen der ganzen Welt preiszugeben, wird auch mir ganz schön mulmig. Kurz und gut: Als ich das Interview dann abends um sieben im Radio hörte, hatte ich das Gefühl, nur Quatsch geredet zu haben. Allerdings waren sowohl der Moderator, als auch meine bessere Hälfte der Meinung, es sei absolut in Ordnung gewesen. Und in diesem speziellen Fall, glaube ich ihnen sehr gerne.