Donnerstag, 10. November 2011
Der perfekte Apfelkuchen
Man nehme: 150 Gramm Mehl, 50 Gramm Zucker, ein Päckchen Backpulver, ein Ei und etwa 100 Gramm warme Butter, verrühre alle Zutaten in einer Schüssel und quirle sie danach noch 5 Minuten mit dem Handrührgerät auf höchster Stufe. Man schäle drei Äpfel aus eigenem Anbau und schneide sie in schmale Streifen. Man fette und mehle eine Backform, verteile den Teig gleichmäßig auf deren Boden, ordne die Apfelstücken nach Belieben auf dem Teig an und stelle das ganze bei etwa 175 Grad für 45 Minuten in den Backofen. Den fertigen Kuchen abkühlen lassen und dann volle zwei Tage und drei Nächte im Kühlschrank stehen lassen. Warum? Weil man jedes Mal, wenn man zum Bus sprintet, vergisst ihn mitzunehmen!

So zumindest habe ich es gemacht, obwohl der Kuchen ja eigentlich der freundliche aber eindeutige Hinweis darauf sein sollte, dass ich am Montag Geburtstag hatte. Wie sonst kommt man ins Büro und sagt das, ohne fordernd oder egozentrisch zu wirken? Mir ist keine Methode eingefallen, weshalb meine Kollegen auch nicht wissen konnten, dass ich am Montag ein Vierteljarhundert alt wurde. Seit gestern dann schon.
Aber es wussten ja viele andere. Mehrere e-Mails, unzählige Facebookeinträge und sogar noch einer im StudiVZ (ja, das gibt’s noch), eine SMS, zwei Telefonanrufe und zwei Glückwunschkarten bezeugen dies unwiderruflich.
Und ich habe mich natürlich wahnsinnig gefreut. Nicht nur, dass so viele Leute in Deutschland an mich gedacht haben, auch meine bessere Hälfte hat ganz genau nachgefragt um alles so zu machen, wie ich es mir wünsche. Demzufolge standen außer meinem Geschenk also auch ein kleiner Blumentopf und eine leckere Geburtstagstorte mit genau 25 Kerzen, sowie daneben auch die Lebenskerze auf dem Frühstückstisch. Da kann man wohl nichts anderes mehr sagen, als: Perfekt.


Mein Geburtstagstisch reich gedeckt

Und allzu alt scheine ich auch mit 25 noch nicht auszusehen. Die Lehrerin einer Schülergruppe der sechsten Klasse verwechselte mich gleich mal mit einem ihrer Schützlinge und schickte mich „zur Gruppe“ zurück. Allerdings hatte sie auch nicht gemerkt, dass ich in diesem Moment mit jener Hälfte der Gruppe eine Übung im „Bücher-nach-Signatur-Suchen“ machte. Durch ihre Unaufmerksamkeit hat sie daher nicht nur meine Autorität, die durch gelegentliche grammatikalische Fehler sowieso schon angekratzt war, endgültig untergraben, sondern auch die ganze Übung nichtig gemacht. Also, liebe (angehende) Lehrer: Wenn ihr mit euren Kindern in eine andere Institution geht, und das Personal dort eine Führung macht, dann hört doch wenigstens mit halbem Ohr hin, was gesagt wird, damit so ein Faux-Pas nicht passiert. Und werft vielleicht auch wenigstens eines eurer Augen auf das, was vor sich geht, damit ihr nicht andere und euch selbst vor den Kindern lächerlich macht. Vielen Dank.

Die Kinder waren natürlich reichlich quirlig und laut. Unserer latenter Dauerbesucher und Vor-dem-Computer-Sitzer hielt sich schon die Ohren zu und der Lehrer war der festen Überzeugung, dass Kinder in Deutschland nicht so wären. Nun, ich kenne keine einzige Gruppe von Kindern, in denen nicht ein oder zwei wären, die Unruhe verbreiten und die anderen ablenken, sodass der Lärmpegel bis ins Unendliche steigt – ob sie jetzt deutsch sind, spanisch, italienisch oder französisch. Man redet in diesem Zusammenhang gerne vom Mangel an Respekt und davon, dass die Jugend immer schlimmer werde. Aber ich möchte gerne daran erinnern, dass solcherart Einschätzungen auch von allen anderen Generationen vor uns über die nächste Generation getätigt wurden. Und vielleicht ist es ja auch gar nicht so schlecht, dass Kinder heutzutage keine Rohrstockhiebe mehr von den Lehrer bekommen, dass Eltern, die ihre Kinder schlagen, nicht gelobt, sondern angezeigt werden, und dass man auch seine Meinung sagen darf, ohne volljährig zu sein.

Zumindest in Deutschland und Spanien – mit Ausnahmen natürlich, die ich nicht negieren will. Für andere Länder lege ich meine Hand erst recht nicht ins Feuer. Dazu habe ich erst gestern viel zu viele Leute gesehen, die genau wie ich eine NIE, eine „Numero de Identificación de Extranjeros“ beantragt haben, und die nicht wirkten, als wollten sie hier nur ein Praktikum machen oder als wären sie aus Beziehungsgründen gekommen. Ich denke, bei denen steckt durchaus mehr hinter der Einreise. Glücklicherweise – für sie und für mich – ist dieser Prozess mit zwei Amtsgängen bereits erledigt und die Betreuung ist auch ausgesprochen freundlich. Ich weiß zwar nicht, wie es jenen ergeht, die kein Spanisch sprechen, aber ich zumindest musste lediglich einen Termin beantragen, ein paar Dokumente mitbringen, 10,20 Euro bezahlen und einen Tag später konnte ich meine gültige Karte abholen. Das heißt jetzt natürlich nicht, dass ich inzwischen eine waschechte Spanierin wäre. Es handelt sich lediglich um ein Dokument, dass jeder, der mehr als 3 Monate in Spanien ansässig ist, gesetzlich beantragen muss, und dass mir sagt, dass ich für die spanische Regierung jetzt offiziell Ausländerin bin.


Auf dem Weg zum Amt - im Parque San Francisco



Sonntag, 6. November 2011
Es sind die kleinen Dinge...
Ich kann mir vorstellen, dass viele denken, die Arbeit in einer so kleinen Stadtbibliothek wie der von Grado sei unheimlich langweilig. Klar, wenn man glaubt, am Vormittag kämen doch sowieso keine Nutzer und man säße die ganze Zeit nur in der Gegend rum und wartete auf genau jene, dann kommt man zu diesem Schluss. Allerdings ist eben gerade das nicht so.

Erstens nämlich, haben wir auch am Vormittag viele Benutzer. Da ist zum einen der freundliche Rentner, ganz charmant mit Hut und Stock, dessen Nutzerkarte ich seit Monaten nicht ein einziges mal gesehen habe, weil er stets einfach nur kommt, um die Zeitung zu lesen. Und dann ist da auch der nette Herr, der sich immer die Kreuzworträtsel kopiert. Und bis vor einigen Wochen kam ja auch täglich der gute Jimy – den Namen habe ich von seinen beiden gleichlautenden Apellidos abgeleitet, denn den Vornamen konnte ich mir nie merken – um sich exakt drei DVDs auszuleihen und die vom Vortag wieder zurückzubringen. Ein bisschen vermisse ich ihn, und wie er manchmal fast entschuldigend hinzufügte, dass er gestern einfach keine Zeit für den dritten Film gehabt hätte, weil er soooo viel zu tun hatte. Aber er kommt nicht mehr. Uns hat er nur gesagt, dass er jetzt genug Filme zuhause hätte. Ich denke ja ehrlich gesagt, er hat nun endlich das Internet und seine zahlreichen Download- und Streaming-Möglichkeiten entdeckt.

Lustig sind auch so einige Nutzeranfragen. Zum Beispiel einer, der mich bittet, ein Buch per Fernleihe zu bestellen, aber so, dass er es selbst abholen kann. Denn die Post ist ihm zu langsam und wenn er das Buch wieder zurückbringen muss, will er nicht noch einmal den langen Weg bis zum nächsten Ort fahren, und es lieber bequem bei uns abgeben.
Noch viel schöner fand ich aber die Nachricht, die eine unserer Nutzerinnen ihrer Mutter mitgab, damit diese ihr ein entsprechendes Buch von uns mitbrächte. Sie schrieb darauf nämlich nicht etwa einen Titel oder einen Autor, um das Buch zu identifizieren, sondern hinterließ lediglich folgenden Hinweis:

„Una novela española de las últimas que hayan salido que esté bien.“, grob zu übersetzen hätte sie also gerne „einen spanischen Roman der letzten, die erschienen sind und der gut ist“. Und danach soll man jetzt mal im Bibliothekskatalog suchen. Nun gut, von der Mutter erbat ich mir noch ein paar Einzelheiten, welche Art von Büchern ihre Tochter denn lese, und schickte sie dann mit einem nahezu wahllos aus dem Regal geholten buch wieder davon. Denn mal ganz ehrlich – unsere Neuzugänge sind mindestens schon 5 Jahre auf dem Markt. Und wenn ich irgendetwas über spanische Literatur weiß, dann doch höchstens über diverse Klassiker, die so bedeutend sind, dass sie auch unsere Literaturgeschichten gestreift hätten. Ich hoffe dennoch, ihren Geschmack getroffen zu haben. Dafür ist Service schließlich da!

Ein ganz anderer Grund, mich über meine Arbeit zu freuen, ist derzeit noch der untere, kleine Ausstellungsraum. Dort haben wir nämlich bereits am 25. Oktober „meine“ Ausstellung über die Geheimnisse deutscher Autoren eröffnet, die ich „mal ganz nebenbei“ während der Öffnungszeiten entwickelt hatte. Die Zahl der Besucher zu diesem mehr oder weniger festlichen Auftakt kann, mangels der dritten Person nicht als „viele“ bezeichnet werden. Aber inklusive der Mitarbeiter, die zufällig vorbeikamen, meines Chefs und der Kulturbeauftragten waren wir immerhin sieben Personen. Dass die ganze Arbeit dennoch nicht spurlos an den Nutzern vorbeigeht, merke ich zum einen an gelegentlichen Lobesworten von denen, die sie gerade angesehen haben, bevor sie in die Bibliothek kommen und an den immer kleiner werdenden Stapeln von Infomaterialien, die wir regelmäßig dort auslegen. Wenn ich aber genau wissen will, wie viele Leute die Ausstellung besucht habe, müsste ich wohl die Aufnahmen der Sicherheitskameras auswerten. Eine aufwändige, aber untrügliche Methode. Nur fragt sich, ob mein Chef mir das erlauben würde.




"Meine" Ausstellung




Mein Chef, die Kulturbeauftragte und ich bei der Eröffnung




Unsere Gäste