Nein, das war nicht meine Idee. Obwohl ich ja hier und da für meine merkwürdigen Kreationen in Sachen Kochen bekannt bin und gelegentlich unter Geschmacksverirrung leide, Sushi mit Wurst hätte selbst ich mir nicht einfallen lassen. Hier ist es aber offenbar gar nicht so unüblich. Zumindest nicht im Restaurant namens WOK, welches ein großes und reichhaltiges Büffet spanisch-asiatischer Küche anbietet. Ich sage spanisch-asiatisch, weil ich immer wieder feststelle, dass Chinese nicht gleich Chinese ist. Je nachdem, auf welchen Geschmack man trifft, muss man sich als asiatischer Einwanderer offensichtlich auch in Sachen Küche ein wenig an seine Umgebung anpassen. Zum Beispiel habe ich gestern nirgendwo Stäbchen finden können, dafür aber gebratenes Brot. Außerdem gab es zu meinem Leidwesen keine „Ente kross“, die sonst immer meine erste Wahl ist, wenn ich denn schon mal in Richtung asiatische Küche schnuppere. Aber keine Sorge! Verhungern musste ich trotzdem nicht. Und außerdem war das Essen ja auch nicht der eigentliche Grund gewesen, am Samstag nach Gijón zu fahren. Viel mehr war es das sogenannte Hípico, was hier keinen Schluckauf darstellt, sondern das alljährliche Springreitturnier mit mehreren Wettkämpfen und Klassifikationen.
Und da ich von meiner intensiven Hemingway-Lektüre auch ein wenig geprägt wurde, habe ich mich dafür gleich einmal in Schale geschmissen. Eigentlich fehlte zu Kleid und schicken Stiefeln nur noch der große Hut mit der weiten Krempe und einem Schleifchen drum, um wie eine seiner Romanfiguren auszusehen. Mein Panamahut wollte aber nicht ganz auf die Beschreibung passen und deshalb musste es ohne gehen. Ist ja eh alles nicht ganz Stilecht. Immerhin ging Ernest immer zum Rennreiten und nicht zum Springreiten. Dafür haben wir sogar in ganz Hemingway’scher Manier mitgewettet, um die Spannung zu erhöhen oder einfach, weil es hier dazu gehört. Ich habe ein wenig das Gefühl, dass es den Besuchern gar nicht um den Sport ging, sondern eher darum, dass sie ihre Wetten gewinnen. Ganze zwei Euro kann man bei einer einfachen Wette auf das Pferd seiner Wahl setzen. Ich habe mich dabei hauptsächlich an den Eltern der Tiere orientiert, deren Namen ich noch von der Hengstparade in Neustadt-Dosse zu kennen glaubte. Viel gebracht hat dieses minimale Vorwissen allerdings nicht. Keines „unserer“ Pferde hat gewonnen. Aber gut, dann wird man wenigstens nicht süchtig nach dem Wettvergnügen. Und bei den teilweise grandiosen Leistungen der Sportler, war der Besuch auch so lohnenswert.
Ich in Hípico-Besucher-"Tracht"
Pferd und Reiter beim Aufwärmen
Und rüber!
Nicht nur, dass hier die Sonne einfach mal fast eine Stunde später aufgeht, auch mit der spanischen Zeiteinteilung an sich ist das so eine Sache. Heute zum Beispiel zog sich die Zeit ziemlich in die Länge, als wir versuchten, mir ein Konto einzurichten. Mein spärliches, aber immerhin vorhandenes Gehalt muss nämlich an eine spanische Bank überwiesen werden, damit die Behörden die erhöhten Transaktionskosten einer Auslandsüberweisung sparen können. Nun geht man natürlich davon aus, dass es in der heutigen Zeit nicht so schwierig sein kann, so etwas zu realisieren.
Tatsächlich aber sagte man uns in der ersten Bank, ich bräuchte dafür eine „numero de identificación fiscal“ – sprich, ich muss mich beim Finanzamt anmelden. Dass das heute nicht mehr gehen würde, denn wir wollten ja auch noch irgendwann zur Arbeit, war ja klar. Aber auch zwei Mal fragen kostet nichts, und so sind wir einfach noch in eine andere Bank eingekehrt, damit sie uns Einlass ins Netz der Geldvermittlungen geben könnten. Und siehe da, hier waren mein deutscher Ausweis, das Training Agreement meines Stipendiums und ein Nachweis über meinen Wohnort plötzlich ausreichend, um ein Konto zu erstellen. Und nachdem die junge Dame vor uns nun alle meine Daten vorsorglich ins System eingefügt hatte, machte sie sich auch gleich daran, mir ein Konto zu eröffnen – bis das System streikte. Irgendwie wurde ihr gesagt, dass in meinen Daten keine Adresse zu finden sei. Nach etwa 15 Minuten Unterredung mit ihrer Kollegin rief sie daher in der Zentrale an. Hier sagte man ihr, dass sie lediglich vergessen hatte, die Hausnummer einzutragen, und das Programm die Adresse daher nicht erkennt. Soweit also zum Fehler im System.
Kurz und gut, wenige Minuten und gefühlte tausend Unterschriften später war mein Konto eröffnet und ich konnte auch gleich etwas Geld einzahlen, damit man meine EC-Karte bestellen kann.
Dann ging es endlich zur Arbeit, wo ich meinem Chef den Zettel mit meinen Bankdaten geben wollte. Der war aber nicht im Büro, sondern sprach mit einem Kollegen darüber, wie man das derzeit aktuelle Problem lösen könnte. Es ist nämlich so, dass heute die Eröffnungsveranstaltung für eine Ausstellung bei uns in der Casa de Cultura stattfand. Und jene Fotokunst, die man schon tags zuvor aufgehängt hatte, war teilweise zu Boden gestürzt. Mal davon abgesehen, dass einige Holzeinbindungen nun etwas eingedellt waren, mussten die Bilder natürlich bis zur Eröffnung wieder hängen. Und erneut stellte ich fest, dass die Uhren hier in Spanien etwas anders ticken. Denn während ich, die aus vorherigen Arbeiten Havariemanagement dieser Art durchaus kennt und langsam aber sicher auch beherrscht, völlig nervös durch die Gegend huschte um zu sehen, wo ich helfen kann, unterhielten sich meine Kollegen in aller Seelenruhe über die schönsten Dinge und der Künstler selbst lief mit einem seligen Lächeln die Wände entlang und brachte hier und da mal wieder eine Schraube an.
Tatsächlich hing dann auch alles zur rechten Zeit am rechten Fleck und Vicente Diaz Peñas (http://www.vdiazphoto.com/), erklärte den Besuchern gerne und ausführlich, wo er die Aufnahmen gemacht hatte, wie lange die Belichtung gedauert hatte und welche Tricks er noch anwendet, um solche Bilder zu mache. Er betonte auch, dass keines seiner Werke in irgendeiner Form mit Photoshop bearbeitet seien und bei all dem Enthusiasmus, den er an den Tag legte, glaube ich ihm das auf’s Wort.
Die Besucher der Ausstellung bewundern Vicentes Bilder
Der Bürgermeister hört andächtig zu, während Vicente seine Bilder erläutert
Gustavo (mein Chef) und Vicente posieren vor der Ausstellung (und ihrer Dekoration)
Gleichzeitig werden im oberen Flur Bilder der Schüler des Malkurses ausgestellt.
nadinemes am 02. September 11
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