Sonntag, 8. Juli 2012
Martes de Campo
„Was ist das denn?“, wird sich hier jeder Deutsche fragen, aber sicherlich wissen auch einige Spanier damit nichts anzufangen. „Felddienstag“ ist nämlich einer dieser Feiertage, die auf bestimmte Regionen begrenzt sind, in diesem Fall auf Oviedo. So kommt es, dass rund um Oviedo jeder arbeiten muss und wir in der Mitte sitzen und uns über einen freien Tag an der Sonne freuen können.

Ich hätte ja auch die Möglichkeit, an den Strand zu fahren und mir die Sonne auf den Pelz brennen zu lassen, aber meine Haut beschwert sich noch immer über den letzten Sonnenbadetag, sodass ich ihr erst einmal eine Auszeit gönne. Stattdessen lasse ich mir den traditionellen Martes-de-Campo-Ausflug vorleben und tauche auch gleich ins Erlebnis mit ein. Dafür grundlegend ist zunächst einmal das sogenannte „Bollo Preñado“, ein mit Chorizo gefülltes Brötchen – „Schwangeres Bällchen“ genannt – und natürlich ein paar Flaschen Sidra.


Am "Martes de Campo" ähneln die Parks in Oviedo jenen im sommerlichen Berlin - nur, dass hier auch Sidraflaschen neben die Picknickdecke stehen...

Besonders begeistert bin ich, als ich mit meiner kleinen Tüte vom Bäcker im Park ankomme und alles bestens vorbereitet finde. Nicht nur Sidra und Bier stehen in den Kühltaschen bereit, auch Gläser wurden mitgebracht, Flaschenöffner, Chips, Flips, Sonnencreme und Handtücher zum Sitzen. So viel Organisation hatte ich für solch einen Tagesausflug gar nicht erwartet, aber ich genieße das gemütliche Zusammensein mit Freunden an einem warmen, sonnigen Tag – im Schatten natürlich. Als es langsam kühler zu werden beginnt, wandern wir weiter zur nächsten Kneipe, wo wir den Abend zur Nacht machen und langsam ausklingen lassen. An solche Traditionen kann ich mich gerne gewöhnen...



Sonntag, 17. Juni 2012
La Feria de la Artesania
Asturien ist ein stolzes kleines Land. Und vor allem ist man hier ausgesprochen stolz auf seine Kultur und seine Geschichte. So wundert es nicht, wenn man hier und da und immer wieder auf alte Traditionen stößt, die von der Bevölkerung wieder zum Leben erweckt werden. Die Worte „handgemacht“ und „hausgemacht“ sind der Schlüssel in die Herzen der Käufer, des Publikums und der Touristen. Die „Feria de la Artesania“ ist ein Höhepunkt solcher Liebhabereien. Hier kann man nicht nur Käse, Wurst, Marmelade, Honig und vieles mehr direkt vom Produzenten kaufen, man kann bei vielen Produkten auch den Herstellungsprozess selbst beobachten.

Zum Beispiel bei den Holzschuhen. Jetzt werden viele von euch sicher zuerst an die Niederlande denken, aber nein, auch in Asturien sind die in den Dörfern immer noch sehr beliebt, wenn Großvater José aus seinen Puschen schlüpft und mit den Holzklötzen an den Füßen durch den durchnässten Garten läuft – nicht, weil er den Gartenschlauch angelassen hätte, sondern weil es zwischen Meer und Bergen einfach unheimlich oft regnet.


Wenn der Holzschuhmacher seinem Beruf nachgeht, schaut auch das Regionalfernsehen ganz genau zu

Und was gibt es noch besonderes auf der Messe? Tiere zum Beispiel. Hunderte verschiedener Vögel. Darunter ein Pfau, halb „normaler“ halb königlicher Abstammung, ein paar Papageien und andere Kanarienvögel. Und nicht nur für ein ordentliches Gezwitscher, auch für die Nase ist gesorgt. Die Schweine, Schafe und Affen geben dafür ihr Bestes. Das Schmuckstück der Ausstellung dagegen ist eindeutig das kleine Kängurubaby, dass den neugierigen Zuschauern aus seinem Hundekorb schüchtern entgegenblickt.


Eine Kreuzung aus dem "normalen" und dem weißen Königspfau - Der Junge wirkt schon etwas fleckig


Der Star des Tierzeltes

Es folgt ein Zelt voller Bonsaibäume und mittelalterlicher Musikinstrumente, sowie ein ziemlich übelriechendes Käsezelt. Zu guter letzt gibt es auch Honig und allerlei süße Leckereien zu kaufen. Und das alles auf den Dächern des hiesigen Hauptbahnhofes.


Ein ganzer Wald auf dem Dach. Zum Glück sind diese Bäumchen keinen halben Meter hoch...

Und wem das alles nicht genug ist, der kann auch auf den Kathedralplatz gehen. Denn hier wird aus der Messe ein Markt. Dazwischen stehen beinbetriebene Kinderkarussels und dann, so still, dass ich sie schon für Attrappen halte, ein paar Kühe vor einen Karren gespannt. Auch die Reitesel und ihr kleiner Nachkömmling sind eine große Attraktion, besonders für die kleineren Besucher. Aber auch für die großen Besucher der „Feria de la Artesania“ ist es ein gelungener Sonntag und man freut sich schon auf das nächste Mal.



Samstag, 19. Mai 2012
Heute malen wir den Himmel rot
Ich bin unter die Künstler gegangen. Also neuerdings unter die malenden Künstler, die mit nur vier verschiedenen Farben ganze Welten auf eine Leinwand zaubern können. Natürlich befinde ich mich derzeit noch im Anfangsstadium, in dem es unmöglich ist, den gleichen Farbton noch einmal zu produzieren, den Pinsel so aufzusetzen, dass der Pinselstrich mir gefällt und die Wassermenge immer zu gering oder groß ist, um die Farbe vernünftig aufzutragen.


Erste Malversuche - meine Landschaft ist rechts. Die linke Staffelei gehört zu einer Dame, die stets in Kostüm und Pumps zum Kurs kam. Bemerkenswert, wenn man bedenkt, wie viele Stunden man vor so einer Leinwand steht...

Trotzdem bin ich zufrieden mit dem Ergebnis des zehnstündigen Malkurses, den ich in der letzten Woche absolviert habe. Ich habe viel gelernt. Nicht nur mein Wortschatz hat sich erweitert im Bereich Farben und Malerei, ich habe auch ein paar technische Tricks und Kniffe mitgenommen, die der professionelle Maler und Zeichenlehrer unserer siebenköpfigen Gruppe bereitwillig mitgegeben hat.


Der Maler und Erfinder von Malkursen in Einkaufszentren - so spart man sich die Werbung für den Kurs...

So weiß ich inzwischen, dass die Grundfarben der Malerei nicht etwa Gelb, Blau und Rot sind, sondern dass die letztere Farbe eben eigentlich Magenta sein muss – wie auch auf der Druckerpatrone oder dem großen Telekom-T. Unser allseits bekanntes, schönes Blutrot entsteht bei der Mischung eben jenes Magentatons mit einem Hauch gelber Farbe. Außerdem habe ich gelernt, dass die Farben der vorderen Bildebene besser kein Weiß enthalten sollten, damit sie stark und kräftig leuchten, während in den hinteren Bildebenen durch Beimischen einer oder mehrerer Pinselspitzen der weißen Farbe ein Eindruck der Ferne erweckt wird. Und wenn man versucht, möglichst natürlich wirkende Farben zusammen erzeugen, sollte man immer etwas von jeder der drei Grundfarben mit drin haben. Daraus folgt, dass das Grün einer Wiese oder eines Baumes eben nicht nur aus Blau und Gelb besteht, sondern auch ein Klecks Magenta mit rein gehört. Auch das klassische Himmelblau kann nicht nur einfach aus Weiß und einem Bisschen Blau gemischt werden, hier muss ebenfalls etwas Magenta dazu. Und dann von oben nach unten absteigend mit etwas Weiß aufhellen – schon hat man den schönsten Sommerhimmel.

Der Rest ist dann Erfahrung. Ein paar Pinselübungen hier, ein paar Korrekturen dort, ein paar Konturen an den Steinen, ein bisschen intensivere Farben in diesem Bereich – solche Hinweise des Mallehrers helfen ganz erheblich weiter, um aus einer sorgsam gefertigten Bleistiftzeichnung ein fertiges Acrylbild zu kreieren. Dass es trotz allem nicht perfekt sein kann, brauche ich nicht zu betonen. Dafür fehlt dann doch noch etwas Übung. Aber für einen ersten Eindruck des Malerlebens reicht es aus. Oder was meint ihr?




Montag, 14. Mai 2012
La Pr(u)eba de la Sidra
Man stelle sich vor, es ist Sonntag, 12 Uhr mittags. Die Straßen sind leer. Nur hier und da spielt ein Vater mit seinem Sohn oder geht eine Tochter mit der schon greisen Mutter spazieren. Oviedo gleicht einer Geisterstadt.
Nur eine einzige Straße zieht die Menschen zu sich, wie der Flötenspieler die Ratten. Die Gascona! Normalerweise tummelt man sich hier gegen 20 bis 2 Uhr nachts um nach einem harten Arbeitstag noch eine Sidra zu trinken oder auf das Wochenende anzustoßen. Dabei ist ihre große Konkurrenz die sogenannte „Weinstraße“, die Ruta de los Vinos. Je nach Vorliebe entscheidet man sich entweder für das gepflegte Glas Wein oder für den großen Sidra-Becher und wählt den entsprechenden Aufenthaltsort.


La Preba de la Sidra

Am Sonntag, den 13. Mai hingegen war die Frage schon klar, bevor sie gestellt wurde. Zu einer Zeit, in der auch die beliebte Gascona mit ihren zahlreichen Sidrerien für gewöhnlich leer steht, fand an diesem Sonntag die „Pr(u)eba de la Sidra“ statt. Auch wenn es eigentlich die „Prueba“, also die Probe, wäre, setzen die Veranstalter auch hier auf die traditionelle Mundart Asturiens und schreibt sie auf jedes Plakat: „Preba“. Es ging ja auch gar nicht so sehr um Grammatik, es geht um Geschmack.
Zwölf verschiedene Sidra-Hersteller, stellten ihr Gebräu zur Verfügung, für eine der beliebtesten High-Noon-Trinkveranstaltungen im Jahr.


Die Gascona - so voll wie ein Berliner Weihnachtsmarkt am Adventssonntag

Nicht nur die hochprofessionelle Jury, die das Apfelweingetränk schon an der Farbe, dann am Geruch und schließlich natürlich auch am Geschmack zu werten wusste, kam dabei auf ihre Kosten. Auch der normale Besucher bekam für gerade mal 3 Euro ein Sidra-Glas, ein grünes Halstuch und einen Stimmzettel und dann ging es los.


Professionelle Sidra-Tester


Ob die wohl auch mitgetestet haben?

Jeden einzelnen Stand konnte, beziehungsweise sollte man allerdings nicht besuchen. Zwar leidet die Objektivität, wenn man wie ich, vom Sprachtandempartner geleitet, nur die bekanntlich besten Marken probiert, aber nach nur sechs Testläufen mit zwei-Finger-breiter Glasfüllung wankte man schon ganz beträchtlich hin und her. Daher hielt ich es für besser, auf das Urteil meiner Kollegen zu vertrauen und die restlichen sechs Marken einfach auszulassen. Stattdessen suchten wir uns lieber noch eine Kleinigkeit zu essen und warteten gespannt auf das Ergebnis.


Sieh mal einer an, wo die Stände herkommen!
Hat Oviedo keine eigenen Marktstände, oder warum importiert man die aus Grado?

Der Gewinner war leider nicht derjenige, für den wir gestimmt hatten, sondern der Hersteller Muñiz, auf den nun ein absatzkräftiges Jahr zukommen wird. Denn natürlich wird jede Sidreria den Sieger immer im Regal stehen haben wollen, falls jemand vorbeikommt, der die einzelnen Geschmacksrichtungen tatsächlich unterscheiden kann oder können will.


Der stolze Gewinner

Wir allerdings beendeten diesen Abend noch mit einem Paar Riesenkroketten und ein paar leckeren Kartoffelspalten mit drei verschiedenen Soßen und machten uns dann wieder auf den Weg nach Hause.


Die größten Kroketten, die ich je gesehen habe



Donnerstag, 19. Januar 2012
Gedichte einmal ausgestellt
Geplant hatten wir das ja schon vor vielen Monaten. Der Innenhof der Casa de Cultura de Grado sollte mit Gedichten in deutscher Sprache und spanischer Übersetzung ausgestellt werden, zahlreiche bannerähliche Illustrationen sollten von den Wänden hängen, jedes einzelne eine künstlerische Umsetzung der Gedanken, die in den jeweiligen Texten ausgedrückt werden, gefertigt von den Teilnehmern unseres Illustrationswettbewerbs. Von oben herab sollten gedichtbedruckte Blätter regnen, während die Besucher der Auftaktsveranstaltung sinnend gesprochenen Versen lauschen...

Ich fange gerne in Konjunktiven an, wenn es darum geht, meine Pläne und die daraus entstandenen Fakten zu schildern. Fazit ist: Nichts, was ich mir bisher für das „Año Aleman“ ausgedacht habe, ist auch so eingetreten, wie ich es vor meinem inneren Auge gesehen habe. So sind die hochaktuellen Gedichte deutscher Herkunft nun doch fast oder mehr als 100 Jahre alt, damit wir nicht etwa gegen das Urheberrecht der Autoren verstoßen. Sowieso konnte ich nur aus dem begrenzten Fundus der überhaupt ins Spanische übersetzten Texte auswählen und um auch die Übersetzerrechte zu beachten, musste ich mich auf den einen Übersetzer beschränken, der mir sein Ok für die Veröffentlichung in der Ausstellung gab. Die Teilnahme am Illustrationswettbewerb war zunächst so dürftig, dass wir die Größe der einzusendenden Werke von Bannergröße auf Lesezeichengröße heruntersetzen mussten. Demzufolge wirken nun Creative-Commons-Bilder als Blickfang und Ausschmückung der Gedichte, während die Wettbewerbsbeiträge zwar noch zentral ausgestellt, aber doch eher nebenbei zu betrachten sind.

Aber um diese Details geht es ja auch gar nicht. Es geht darum, viele Facetten der deutschen Literaturkultur an das spanische Publikum heranzubringen. Jeder, der auch nur eine Sekunde darüber nachgedacht hat, am Wettbewerb teilzunehmen, hat auch ein paar der als Anreiz dienenden Verse gelesen. Und die eingegangen Bilder zeigen – auch deutsche Gedichte können berühren, inspirieren und anregen.

Vielleicht hat sich der ein oder andere spanische Künstler ja auch plötzlich den Autoren etwas näher gefühlt und begriffen: Deutschland ist mehr als nur Merkel und Wirtschaftspolitik.
In einer Zeit, in der Deutschkurse hier in Spanien völlig überlaufen sind und jeder zweite Arbeitslose darüber nachdenkt, den deutschen Arbeitsmarkt zu erkunden, kann ein bisschen Kulturvermittlung nicht schaden. Und wo könnte das besser geschehen, als hier in der Casa de Cultura, und wann besser, als im „Año Aleman“?








Mittwoch, 11. Januar 2012
Die drei Weisen aus dem Morgenland
Fast auf der ganzen Welt warten die Kinder zum Jahresende nur auf eines: Auf die Ankunft des Weihnachtsmannes. Mit seiner großen, schnellen Rentier-Kutsche fliegt er über das Land, springt durch Kamine und neuerdings offenbar auch durch Heizungsrohre, putzt sie mit seinem dicken roten Mantel einmal ordentlich sauber und verteilt unter dem nadelnden Tannenbaum die Geschenke aus dem großen braunen Sack an alle, die brav waren im letzten Jahr. Und seien wir ehrlich: Auch an die, die es nicht waren.

Aber habt ihr euch nicht manchmal gefragt, wie er das denn alles alleine schafft? „Er ist ja nicht allein!“, sagen jetzt belesene kleine Köpfe. Da sind ja auch noch die Zwerge, die ihm helfen. Andere haben gelesen, dass es Elfen seien, die dem dicklichen Alten das ganze Jahr über zur Hand gehen und wenn ich mich recht erinnere, habe ich auch schon einmal fleißige Mäusehände in den Weihnachtsbüchern gesehen, die die Geschenke sorgfältig mit Papier umwickeln.

Hier in Spanien werden die Kinder jedoch blitzschnell auf eine andere Antwort kommen. Die „Reyes Magos“ sind es, die heiligen drei Könige, die zu Weihnachten zu den Kindern nach Hause kommen. Und zwar nicht am 24. Oder 25. Dezember, sondern am 6. Januar! Der Weihnachtsmann kommt erst seit ein paar Jahren nach Spanien. Früher haben Balthasar, Caspar und Melchior das alles allein gemacht. Nur mussten die Kinder dann die ganzen Ferien über mit ihren alten Spielsachen spielen. Und die neuen bekamen sie ausgerechnet dann, wenn die Schule wieder losging. Also hatte der Weihnachtsmann endlich Erbarmen mit den armen Niños, und schenkte ihnen auch etwas, um die Zeit zu überbrücken.

Die Hauptrolle konnte er den heiligen drei Königen deswegen aber nicht abluchsen. Die spielen sie weiterhin in den spanischen Weihnachtsgeschichten und auf der „Cabalgata“, dem Festumzug, mit allerlei Besuchern aus dem Morgenland. Bestimmt, weil sie es auch sind, die bereits bei dieser Gelegenheit in allen größeren Städten Spaniens mit Bonbons um sich werfen. Aber Vorsicht! Die sind hart und knallen auch gerne mal an Köpfe, oder noch schlimmer, an empfindliche Digitalkameras. Und nicht zuletzt finden wir auch in den „Belenes“, den detaillierten und oft viele Quadratmeter großen Krippenspielen nirgendwo einen alten Mann mit Rauschebart und rotem Umhang. Die drei heiligen Könige, mit den ersten Weihnachtsgeschenken Weihrauch, Myrre und Gold in den Händen, die fehlen aber äußerst selten.

Alle strömen nach Bethlehem:




Kinder auf ihren Eseln,




das Gefolge des Emirs auf den Pferden,




Kameltreiber mit ihren Tieren,



und selbst Könige kommen hinterdrein




zu Maria und Josef und ihrem Kinde.