Sonntag, 26. April 2020
Privilegiert
Nun gehören auch wir zu der Gruppe der Privilegierten. Bisher durften ja nur Hundebesitzer zum Spazieren rausgehen. Jetzt haben Eltern der Kinder unter 14 das gleiche Recht eingeräumt bekommen. Ab heute dürfen wir eine Stunde pro Tag mit unserer Tochter rausgehen, bis zu einem Kilometer vom Wohnort entfernt. Der Unterschied war deutlich zu merken. Überall Kinder, die Fußball spielen, spazieren gehen, mit Masken, ohne Masken, mit Handschuhen, ohne Handschuhe ...
Je nachdem, wie die Eltern es sehen und festlegen und auch je nachdem, was die Leute zur Verfügung haben. Denn nicht jeder hat Masken zu Hause, sie sind schwer zu bekommen, zeitweise sogar gar nicht, zumal ja auch nicht jeder die gleichen Möglichkeiten hat.
Denn im Gegensatz dazu, was oft gesagt wird, und was auch ich mehrmals gedacht und auch schon gesagt habe, sitzen wir nicht alle im gleichen Boot. Gerne würde ich den Autor der folgenden Gedanken würdigen, aber er ist anonym. So bleibt mir nichts übrig, als die ursprünglich spanisch formulierten Gedanken kurz und knapp zusammenzufassen und ihm so meinen Tribut zu zollen. Demzufolge, erleben wir alle den gleichen Sturm, sitzen aber nicht alle im gleichen Boot. Für manche ist es einfach eine organisatorische Herausforderung, den Job und die Familie in Einklang zu bringen, wenn Schule und Kindergarten geschlossen sind, was ja durchaus anstrengend genug ist. Andere bangen derzeit um ihre Jobs und wissen nicht, woher sie das Geld für die nächste Miete nehmen sollen. Von einem Tag auf den anderen wurden ihre Geschäfte geschlossen und um etwas auf die hohe Kante zu legen, war nie genug übrig.
Manche nutzen die freigewordene Zeit, um sich fit zu halten. Ab Mai soll man ja auch hier wieder dafür das Haus verlassen dürfen. Andere sind hilfebedürftig - bekommen keine Therapien und Anwendungen mehr und sehen sich selbst bei der Verschlechterung ihrer Situation zu. Die regelmäßige Physio fehlt und was vorher schon nicht mehr richtig funktionierte - Beine, die nicht mehr gehen wollten, Hände, die nichts mehr greifen konnten, ein Mund, der keine Worte mehr fassen kann - ohne fehlendes Training immer weiter verfallen.
Und selbst die, die ihnen am nächsten stehen, können oder dürfen nicht helfen, haben Angst, dadurch noch viel Schlimmeres zu bringen. Ein Teufelskreis. Da kann man wirklich nur hoffen, dass die Ärzte bald einen Ausweg finden, damit unsere Schwächsten - auch wenn sie sich gar nicht anstecken - nicht an den Folgen dieser Krise vergehen.



Sonntag, 19. April 2020
Nachbarschaft
Wir kommen vorwärts. Nachdem wir in der letzten Woche bereits zum Spazierengehen hinausgehen konnten, ist es jetzt auch wieder erlaubt, sich in das Auto zu setzen und innerhalb Asturiens kleine Reisen zu unternehmen. Die Polizei lässt etwas lockerer, Kontrollen auf der Straße habe ich in den letzten Tagen nicht mehr gesehen. Dafür ist die Nachbarschaft umso aufmerksamer. Jedes Kind bis 12 Jahren darf offiziell zwischen 12 und 19 Uhr für insgesamt eine Stunde frische Luft schnappen. Senioren und Seniorinnen können dagegen bis 12 Uhr und dann eben wieder ab 19 Uhr das Haus verlassen, wenn es nicht etwa zum Einkaufen ist. Damit soll gewährleistet werden, dass die vermeintlichen Virenschleudern nicht die Wege der Risikogruppen kreuzen.

"Gehst du denn heute schon zum zweiten mal raus?", heißt es dann dem zweijährigen Kind gegenüber, wenn es abends noch einmal mit dem Papa rausgeht. "Ist das denn Ihre Uhrzeit zum Spazierengehen?", muss sich die Rentnerin anhören, die zehn nach zwölf noch am Fischladen vorbeigeht. In diesen Fällen muss man nur hoffen, dass diese wohlmeinenden Hinweise nicht kurze Zeit später am Telefon der Polizei übermittelt werden. Big Brother is watching you.

Aufmerksame Nachbarn sind es natürlich auch, die Supermarktmitarbeiter, Ärzten und Krankenschwestern freundliche Zettel an der Tür hinterlassen. Hier werden diese dann gebeten, zum Wohle der Nachbarschaft ihre Wohnungen zu verlassen - schließlich ist es bei ihren Tätigkeiten sehr wahrscheinlich, dass sie sich mit dem Virus infizieren und daher könnten sie ja die ganze Hausgemeinschaft mit anstecken. Da frage ich mich doch, wo sie denn dann alle hinsollen, die Helden unseres derzeitigen Alltags, für die andererseits jeden Abend geklatscht wird. Und ob es dieselben Hände waren, würde ich auch gern wissen; die Hände derjenigen, die klatschen, und die Hände derjenigen, die solcherart Nachrichten verfassen. Rettet unsere Kranken, aber kommt uns nicht zu Nahe!