Sonntag, 12. August 2012
Deutschland : Eine Sommerreise - Teil 2 : Weiterfahren
Ich blieb nicht lange in Hagen. Ich hätte es auch nicht lange gekonnt, denn mit meiner ehemaligen Kommilitonin quatschte ich von meiner Ankunft bis zur Abfahrt am frühen Nachmittag des nächsten Tages ohne Unterlass. Nur wenige Stunden Schlaf unterbrachen unser Gespräch, meine Abfahrt nach Lüdighausen beendete es vorerst. Den Rest besprechen wir dann wohl über Telefon und Internet.

Meine Reise von Hagen nach Lüdinghausen verlief soweit problemlos. Ich konnte mir sogar die 4,25 Euro, die 25 Prozent des Fahrpreises vom Vortag zurückerstatten lassen. Als ich mich an der Information beraten lassen wollte, wie und wo ich das machen könne, erlebte ich mal wieder ein Musterbeispiel des Servicegedankens der Deutschen Bahn. Ich bin aber auch unhöflich! Nicht nur, dass ich durch meine Frage zum weiteren Vorgehen die beiden Damen an der Information in ihrem Gespräch unterbrochen hatte – Schade eigentlich! Ich hätte gerne mehr über den jungen Mann erfahren, der beim Tanzen auf der Party der vorherigen Nacht wie immer die Girlanden heruntergerissen hatte! – Ich hatte es außerdem gewagt, das Fahrgastrechtformular völlig unausgefüllt auf ihren Tisch zu legen, eigentlich mehr als Veranschaulichung zu meiner Frage. „Und das haben sie auch gar nicht weiter ausgefüllt, oder so!“, wurde ich angeblafft, bevor ich überhaupt irgendeine Information erbitten konnte. Man schickte mich weiter ins Servicezentrum, wo ich dann auch freundlich bedient wurde. Unfreundlich zu sein ist also kein generelles Einstellungskriterium bei der Deutschen Bahn.

In Lüdinghausen kam ich plangemäß an und obwohl ich bereits gut zu Mittag gegessen hatte, konnte ich der Idee, am Abend zu grillen sehr viel abgewinnen. In Deutschland habe wir nämlich eine bestimmte Esskultur, die man hier in Spanien nicht so kennt: Soßen! Grillsoße, Currysoße, Joghurtdressing, Tomatenketchup, Senf und noch einiges mehr stand hier auf dem Tisch und ich langte beim Fleisch gerne noch öfter zu, allein schon, um es noch in eine weitere Soße tunken zu können. Auch am nächsten Tag wurde ich reichlich mit allerlei Leckerem versorgt. Wie gut, dass wir noch zwei Stunden Fahrradfahren und drei Stunden in der Schwimmhalle auf dem Plan hatten. Man will ja auch nach dem Urlaub noch im Bikini über den Strand laufen können.

Bereits am Dienstagvormittag musste ich mich wieder einmal von meiner Freundin verabschieden. Ich hatte mir eine Mitfahrgelegenheit von Dortmund nach Berlin besorgt und stand bereits eineinhalb Stunden vor der vereinbarten Zeit am Dortmunder Bahnhof. Am vereinbarten Treffpunkt hatte ich mich bereits zwanzig Minuten vor der Zeit aufgestellt – eine dumme Idee, wie sich herausstellte. Offenbar war der Fahrer nämlich der Meinung, ich hätte in Kreisen über den Parkplatz laufen müssen, um ihn mit den spärlichen Informationen, die ich über sein Auto hatte; die Farbe und Marke des Fahrzeugs, zu finden. Ich tat es nicht. Stattdessen stand ich wie alle anderen, die auf einen Abholer oder eine Mitfahrgelegenheit warteten vor dem kleinen Kreisel vor McDonalds, der für solche Gelegenheiten wie gemacht ist und wartete auf ihn. Als ich zehn Minuten nach der geplanten Abfahrtszeit anrief, waren der Fahrer und sein Begleiter schon losgefahren. „Wir drehen jetzt auch nicht noch einmal um!“, wurde mir am Telefon entgegengeworfen und aufgelegt. Ich fluchte und ging in den Bahnhof, um mir am nächsten Automaten ein möglichst günstiges Ticket zu holen. Wozu hatte der Kerl eigentlich meine Telefonnummer bekommen? Egal! Acht Stunden und fünf Mal umsteigen später landete ich in Potsdam auf dem Hauptbahnhof, wo mich meine Oma überraschenderweise abholte. Mein Ärger war inzwischen verflogen. Nur um die Zeit war es schade, aber mir blieben ja noch eineinhalb Tage, bis ich als Überraschungsgast über die Türschwelle meiner Eltern treten wollte.



Donnerstag, 9. August 2012
Deutschland : Eine Sommerreise - Teil 1 : Ankommen
„Ich bin zurück in der Zivilisation“, schrieb vor Kurzem eine Freundin in einem bekannten sozialen Netzwerk, nachdem sie Oviedo verlassen und wieder nach Deutschland gezogen war. Als ich allerdings vor knapp zwei Wochen meine Füße auf deutschen Boden setzte, schien es mir eher andersherum zu sein.

Ich hatte bereits morgens gegen acht Uhr das Haus verlassen, war zweieinhalb Stunden durch den Regen gefahren und hatte mich schweren Herzens von meiner besseren Hälfte verabschiedet, um meiner Heimat und meiner Geburtstagsmama einen Besuch abzustatten. Wie die Fluggesellschaften es aber immer so wollen flog ich nicht direkt nach Berlin, sondern nach Frankfurt/Hahn. Dorthin nämlich kam ich von Asturien aus am günstigsten und langsam glaube ich auch zu wissen warum:

Frankfurt/Hahn ist ein verhältnismäßig kleiner Flughafen. Von einem Ende zum anderen läuft man vielleicht fünf Minuten, mit schweren Koffern höchstens zehn. In der Zeit kommt man im Terminal 4 in Madrid gerade mal an einem viertel der Gates vorbei. Aber ich war nicht in Madrid. Ich war in Frankfurt/Hahn und wollte bis zum Abend ganz gerne in Hagen ankommen, wo ich eine Nacht bei einer Freundin verbringen sollte. Die Reise dahin hatte ich bestens geplant, ich wusste, wann und wo ich umsteigen musste, ich wusste, von welchem Gleis ich zu welchem anderen Gleis musste und wie lange die Fahrten dauern sollten. Was ich nicht wusste war, wo am Flughafen Frankfurt/Hahn der Bus nach Koblenz abfahren würde, aber es konnte ja nicht so schwer sein, das herauszufinden. Immerhin war ich ja in einem Land, das für seine gute Organisation berühmt berüchtigt ist und die Landessprache war meine Muttersprache. Aber da hatte ich falsch gedacht!

Zunächst einmal endete das Schilderleitsystem zu den Bussen mitten im Flughafen, ohne einen Hinweis darauf, wohin man sich nun richten sollte. Direkt vor dem Ausgang standen dann auch nur die Busse zu den nächstgelegenen Großstädten und vor dem Ticketschalter stand eine große Schlange. An der Reiseinformation im Flughafen konnte mir die Dame von der Deutschen Bahn keinerlei Auskunft dazu geben, wo eventuelle Busse fahren. „Wir sind hier von der Deutschen Bahn. Wegen der Busse müssen Sie schon zur Businformation gehen“, wurde mir unfreundlich entgegengeworfen. Immerhin wusste sie, wo diese zu finden sein sollte. Ich entschloss mich, einfach außen am Flughafen entlang zu laufen. Möglicherweise gab es ja doch noch irgendwo eine weitere Busspur und wenn nicht, konnte ich auf der anderen Seite wieder hinein und zur Businformation gehen. Es gab weitere Busse, nur konnte man nicht erkennen, wohin sie fahren sollten. Der Busfahrer, den ich nach Koblenz fragte, konnte mir auch keine Informationen geben. Stattdessen schickte er mich ebenfalls zur „Information dans l’aéroport“. Er sprach nur Französisch!

Die Businformation war nicht besetzt. Ein freundliches Schild wies darauf hin, dass man gleich wieder beraten werden würde, nur eben jetzt nicht. Allerdings stand ein Herr mit Mitarbeiterausweis und Krücken vor dem Schalter und gab sämtlichen Wartenden Antwort auf ihre Fragen – wenn er auch nicht wusste, wie aktuell seine Informationen seien. So erfuhr ich, dass hinter dem Parkplatzwächterhäuschen noch ein großer Busbahnhof sei, von welchem auch der Bus nach Koblenz abfahren sollte. Fahrscheine gab es entweder dort, oder beim Ticketschalter vor dem Flughafen. Ich nahm mit meinen Köfferchen und zog los.

Ein Parkplatzwächterhäuschen gab es nicht. Dafür aber einen kleinen Unterstand, an welchem man seine Parkscheine lösen konnte und eine nette Dame, die wartend davor stand. Von ihr erfuhr ich, dass der Busbahnhof die Straße runter sei. Ich folgte dem Weg, den sie mir gezeigt hatte, sah mich aber nur auf Felder und Landstraßen zugehen. Sollte ich jetzt bis nach Koblenz laufen? Nein, ich hatte Glück, tatsächlich gab es einen Busbahnhof. Er hatte sich nur frecherweise hinter dem neugebauten Parkhaus versteckt und niemand hatte daran gedacht, ihn irgendwie auszuschildern. Allerdings gab es dort keinen Ticketautomaten. Also lief ich zurück zum Tickethäuschen am Flughafen. Auch hier konnte man mir nach Koblenz keinen Fahrschein verkaufen. Außerdem sagte man mir, der nächste Bus käme 17.15 Uhr, statt 16 Uhr, was bedeutet hätte, dass ich meine sämtlichen Zugverbindungen verpassen würde. Aber zum Glück gab das Internet mir recht. Der zuständige Verkäufer war nicht über die Fahrplanänderungen informiert worden und hatte noch die alten Fahrzeiten an der Wand zu kleben. Gut, wenn man nicht alles glaubt, was die Information einem sagt.

Ich kaufte meinen Fahrschein im Bus selbst, fuhr nach Koblenz und von dort aus mit dem Zug nach Köln. Von Köln nach Hagen ging es weiter im IC. Zumindest vorerst. Ganze zehn Minuten waren wir gefahren, bevor der Zug auf unbestimmte Zeit halten musste. Es gäbe eine Signalstörung, sagte man uns. Dann hieß es plötzlich, ein Stellwerkschaden hätte den gesamten Bahnverkehr in der Umgebung aufgehalten und wir ständen Schlange, um irgendwie weiter zu kommen. Die Fahrt ging weiter bis zum nächsten Bahnhof, wo wir auf Wunsch aussteigen oder sitzenbleiben konnten. Nach einer Stunde verteilte der freundliche Bahnschaffner Fahrgastrechtbriefe – mit mehr als einer Stunde Verspätung hatten wir nämlich das Recht, 25 Prozent unseres Fahrpreises zu reklamieren. Der Vater und seine vier Söhne, die mir gegenüber saßen konnten sogar noch mehr sparen. Sie waren schon wegen eines „Personenschadens“ auf einem Bahnhof sitzen geblieben und freuten sich nun über satte 100 Euro, die sie zurückbekommen würde. Die Jungs hielten sich auch tapfer mit jeweils einem Freigetränk und einem Wassereis aus dem Speisewagen. Nur, ob sie den Bus nach Hause noch kriegen würden, wussten sie nicht. Die Fahrt ging weiter. Den Kritischen Bereich um Solingen umfuhren wir einfach und hielten stattdessen in Düsseldorf. Der Rest der Strecke wurde planmäßig abgefahren – nur eben 80 Minuten später.

Nach dreizehn Stunden Flug-, Fahrt- und Wartezeit erreichte auch ich vorerst mein Ziel. Am Bahnhof Hagen wurde ich abgeholt und wenige Minuten später saß ich schon mit einem Glas Wein in der Küche. Ein Prosit, sage ich da nur, auf die deutschen Verkehrsbetriebe!