Die Sonne versinkt im orange-rosanen Himmel hinter der Mauern der Kathedrale. Die Glocken läuten ein letztes Mal, bevor auch hier die Tore geschlossen werden. Unzählige Pilger drängen sich durch die Straßen, hinter sich viele Tage langer und anstrengender Märsche, vor sich Tüten voller Souvenirs und gemütliche Stunden in den belebten Bars.
Google-Maps hat sich geirrt. Von Grado bis Santiago de Compostela in Galizien braucht es keine vier Stunden, sondern nur etwas mehr als drei. Mit dem Auto, versteht sich. Denn wir hatten nur fünf Tage um uns die Hauptstadt aller Pilger sowie die schönsten Plätze der Nordwestküste Spaniens anzusehen. Den Samstag widmeten wir ausschließlich Santiago. Hier wo sich die Pilger an St. Jakobs Grab die Klinke in die Hand geben, wird die Messe nicht nur in fünf Sprachen gehalten, sondern auch auf mehrere Fernsehbildschirme, die in der Kathedrale verteilt sind, übertragen. Wer ein bisschen Glück braucht, stellt sich in die lange Schlage, die zur Jakobsstatue führt, um deren Gewand zu berühren. Und damit auch wirklich jeder versteht, was hier nur in Gallego – also dem Regionaldialekt – und nicht einmal im reinen Spanisch auf den Tafeln geschrieben steht, gibt es auch einen Audioguide.
Durch die Stadt muss man sich dann aber selbst durchschlagen. Und wenn es darum geht, ein gutes Restaurant zu suchen, helfen die vielen guten Ratschläge in den Reiseführern erheblich weiter. Liebhaber von Meeresfrüchten werden hier auf jeden Fall auf ihre Kosten kommen. Fast überall können sie ihrem noch lebendigen Essen direkt ins Gesicht schauen, bevor es gekocht und serviert wird. Ein merkwürdiger Brauch, der Frische garantiert, aber meinem Magen deswegen nicht unbedingt Gutes tut.
Da empfehle ich doch eher das kleine Restaurant nur wenige Meter von der Kathedrale entfernt, in dem die Speisekarte in Form einer großen Kreidetafel direkt an den Tisch gehängt wird. Das Ambiente ist auf alle Fälle einen Besuch Wert und das Essen in Galizien generell nicht besonders teuer.
Weiter ging es für uns, wie im Übrigen auch für viele Pilger, die den Begriff wörtlich nehmen, nach Finisterre – ein kleiner Zipfel der spanischen Küste, der angeblich den westlichsten Punkt Europas darstellt. Mit der Karte in der Hand merkt man recht schnell, dass das wohl eine kleine Übertreibung ist, immerhin reicht Portugal noch ein ganzes Stück tiefer in den Ozean hinein und auch Spanien hat ein paar westlichere Punkte. Dennoch hat Finisterre seinen Reiz. Die Aussicht ist ausgesprochen schön und spätestens, als aus einem Kaffeefahrtenbus eine Gruppe deutscher Senioren ausstieg, und sich in japanischer Manier abwechselnd vor der Kulisse fotografieren ließ, hatte sich die Reise für uns gelohnt.
Nach gemütlicher Fahrt erreichten wir dann unser nächstes Feriendomizil: Die Casa de Lema. Hier in Galizien sind diese sogenannten „Casas rurales“ sehr häufig anzutreffen und auch sehr beliebt. Statt in einem großen, anonymen Hotel mietet man sich in einem Zimmer der ländlich anmutenden Pension ein und genießt die Ruhe und Einsamkeit der Dorfumgebung. Diese Häuser bestechen vor allem durch die vielen kleinen Details und da ich davon absolut begeistert war, ist es wohl angebracht auch mal ein wenig Werbung in diesem Blog zu machen.
http://www.casadelema.com/
Eine laue Sommernacht, ein Buch in der Hand, der Sonnenuntergang über den Baumspitzen... Was will man mehr?
Gut ausgeruht und voller Tatendrang fuhren wir weiter die Küste entlang nach La Coruña. Diese Stadt ist berühmt für die weißen Fensterfassaden. Sie bedecken die gesamte Hauswand und wenn des Abends die Sonne untergeht, spiegelt sich darin das goldgelbe Licht der Abenddämmerung. Besonders schön ist auch der Spaziergang auf dem Paseo Maritimo, der gen Osten hin zu einem Leuchtturm führt, der noch von den Römern erbaut wurde. Es handelt sich um den ältesten erhaltenen romanischen Leuchtturm der Welt – um ihn zu erklimmen, muss man 233 Stufen hinaufsteigen. Dann ist man zwar völlig außer Atem, aber hat dafür einen wunderbaren Blick auf das Meer und auf die Stadt.
Direkt von dort aus machten wir uns auf den Weg zu unserem letzten Schlafplatz, der Casa do Mudo. Jedoch nicht, ohne vorher noch einen Abstecher nach Bares zu machen, den nördlichsten Punkt Spaniens und nach Teixeiro, wo Kühe und Pferde frei auf Wiesen und Feldern herumlaufen und gerne auch mal ein Stier die bequeme Straße nutzt, um gemütlich seines Weges zu gehen, während verängstigte Touristen geduldig hinter ihm her schleichen.
Zum Abschluss unserer Reise fügte es sich, dass in der Casa do Mudo für diesen Abend eine Queimada geplant war. Zusammen mit einem englischen und einem australischen Urlauberpaar, bewunderten wir, wie der Gastgeber uns einen Umtrunk mixte, der im wahrsten Sinne des Wortes feurig ist. Denn hier wird hochprozentiger Alkohol mit Kaffeebohnen, Nüssen und Zucker sowie Orangen- und Zitronenschalen gemischt und dann angezündet. Man lässt das ganze so lange brennen, bis ein großer Teil des Alkohols verflogen ist – je nach Geschmack also länger oder kürzer – und serviert das glühweinartige Getränk dann in den traditionellen gebrannten Tontassen. Ein gelungener Abschluss einer schönen Reise – mit einem dreisprachigen: Salud, Cheers und Prost!
http://www.casadomudo.com/