Donnerstag, 29. März 2012
Guten Tag, ich bin der Schlüsseldienst!
In einem Moment denkt man, man geht zu einem gemütlichen Zusammentreffen mit Deutschen und Spaniern und im nächsten sitzt man schon am Café-Tisch und hat einen orangenen Post-It an der Stirn zu kleben. Aber immerhin durfte ich mir die Farbe des Zettelchens selbst aussuchen.

Die ganze Sache begann schon vor ein paar Wochen. Auf der Suche nach neuen Kontakten filzte ich das Internet und die mir bekannten sozialen Netzwerke und wurde fündig. Nicht etwa in spanischen oder internationalen Portalen, sondern im StudiVZ (ja, das gibt’s auch noch!). Während tuenti und facebook die Suche nach Interessengruppen nämlich ziemlich schwierig gestalten, ist das bei Studi ganz einfach. Prompt war ich auf der ERASMUS-in-Oviedo-Seite gelandet und hatte nicht nur Datum und den Ort für den wöchentlichen deutsch-spanischen Stammtisch ausgemacht, sondern auch noch meine Tandempartnerin kennengelernt.
Das heißt jetzt nicht, dass wir uns zu zweit auf ein Rad schwingen und selig durch die Gebirge fahren würden, das heißt, dass wir uns wöchentlich treffen und jeweils eine Stunde lang auf Deutsch und eine Stunde lang auf Spanisch über die wildesten Themen philosophieren.

Beim Stammtisch läuft das ähnlich, nur das er eine etwas hierarchischere Struktur hat. Es gibt einen spanischen Gruppenleiter – der seine Pflichten gerne an die deutsche Fremdsprachenassistentin abgibt –, ein paar deutsche, österreichische und schweitzer ERASMUS-Studentinnen, ein paar Spanier, die früher einmal in Deutschland waren und ihre Sprachkenntnisse nicht verlieren, sowie einige, die mal nach Deutschland gehen und ihre Sprachkenntnisse erweitern wollen. Und dieser ganze Mischmasch sitzt dann zusammen an einem Tisch und versucht, den Beruf, der ihm buchstäblich auf die Stirn geschrieben steht, zu erraten. Dafür muss er Ja-Nein-Fragen stellen und darf nur dann weiter fragen, wenn die Antwort auf die vorherige Frage „Ja“ war. In der Fremdsprache, selbstverständlich.

Dieses Unterfangen erwies sich als einigermaßen schwierig. Zunächst einmal können selbst die einfachsten Ja-Nein-Fragen meist nicht eindeutig beantwortet werden: „Arbeite ich drinnen?“ – „Immer oder hauptsächlich?“; „Arbeite ich mit Menschen zusammen?“ – „Meinst du als Kunden oder als Kollegen?“; „Brauche ich für meinen Beruf eine Ausbildung?“ – „In Deutschland oder in Spanien?“ Über die meisten Berufe weiß man eigentlich kaum etwas und selbst wenn man eine genaue Vorstellung hat, heißt das nicht, dass andere sie teilen. Ich zum Beispiel wurde während des Spiels kurzerhand zum „Cerrajero“, also zum Schlüsseldienst erklärt. Mal davon abgesehen, dass ich von dieses Wort im Spanischen zuvor nie gehört hatte, waren auch die Antworten meiner Mitspieler auf einige Fragen sehr verwirrend. Zum Beispiel wurde mir geantwortet, dass ich zwar mit Werkzeugen arbeite, aber nichts produziere. Davon ausgehend, dass „Cerrajero“ aber auch „Schlosser“ bedeuten kann, kenne ich doch wenigstens einen Leser, der hier protestieren würde.

Aber keine Sorge, ich habe mich gewehrt. Meine als Verneinung formulierten Fragen nämlich brachten die Spanier ganz schön ins Schwitzen. „Arbeite ich nicht mit Tieren?“ – „Ja, äh, nein, also ja!“ Und schon durfte ich weiter fragen und hinterließ ein dickes Fragezeichen über den Köpfen der spanischen Mitspieler.

Alles in allem macht so ein Stammtisch riesigen Spaß. Der Lerneffekt ist enorm, auch wenn man das zunächst kaum bemerkt. Nicht nur neue Vokabeln werden eingeführt und trainiert, man lernt auch einiges über das Bildungssystem des anderen Landes und über alle anderen Themen, die eben zufällig zur Sprache kommen. Allen Sprachenlernern empfehle ich also dringend: Sucht euch Tandempartner, sucht euch Stammtischgruppen und seid nicht zu schüchtern auch etwas zu sagen. Wir alle wissen, wie hart es manchmal ist, sich in der Fremdsprache auszudrücken. Gelacht wird da nur gemeinsam oder doch zumindest fair verteilt.