Es sind die kleinen Dinge...
Ich kann mir vorstellen, dass viele denken, die Arbeit in einer so kleinen Stadtbibliothek wie der von Grado sei unheimlich langweilig. Klar, wenn man glaubt, am Vormittag kämen doch sowieso keine Nutzer und man säße die ganze Zeit nur in der Gegend rum und wartete auf genau jene, dann kommt man zu diesem Schluss. Allerdings ist eben gerade das nicht so.
Erstens nämlich, haben wir auch am Vormittag viele Benutzer. Da ist zum einen der freundliche Rentner, ganz charmant mit Hut und Stock, dessen Nutzerkarte ich seit Monaten nicht ein einziges mal gesehen habe, weil er stets einfach nur kommt, um die Zeitung zu lesen. Und dann ist da auch der nette Herr, der sich immer die Kreuzworträtsel kopiert. Und bis vor einigen Wochen kam ja auch täglich der gute Jimy – den Namen habe ich von seinen beiden gleichlautenden Apellidos abgeleitet, denn den Vornamen konnte ich mir nie merken – um sich exakt drei DVDs auszuleihen und die vom Vortag wieder zurückzubringen. Ein bisschen vermisse ich ihn, und wie er manchmal fast entschuldigend hinzufügte, dass er gestern einfach keine Zeit für den dritten Film gehabt hätte, weil er soooo viel zu tun hatte. Aber er kommt nicht mehr. Uns hat er nur gesagt, dass er jetzt genug Filme zuhause hätte. Ich denke ja ehrlich gesagt, er hat nun endlich das Internet und seine zahlreichen Download- und Streaming-Möglichkeiten entdeckt.
Lustig sind auch so einige Nutzeranfragen. Zum Beispiel einer, der mich bittet, ein Buch per Fernleihe zu bestellen, aber so, dass er es selbst abholen kann. Denn die Post ist ihm zu langsam und wenn er das Buch wieder zurückbringen muss, will er nicht noch einmal den langen Weg bis zum nächsten Ort fahren, und es lieber bequem bei uns abgeben.
Noch viel schöner fand ich aber die Nachricht, die eine unserer Nutzerinnen ihrer Mutter mitgab, damit diese ihr ein entsprechendes Buch von uns mitbrächte. Sie schrieb darauf nämlich nicht etwa einen Titel oder einen Autor, um das Buch zu identifizieren, sondern hinterließ lediglich folgenden Hinweis:
„Una novela española de las últimas que hayan salido que esté bien.“, grob zu übersetzen hätte sie also gerne „einen spanischen Roman der letzten, die erschienen sind und der gut ist“. Und danach soll man jetzt mal im Bibliothekskatalog suchen. Nun gut, von der Mutter erbat ich mir noch ein paar Einzelheiten, welche Art von Büchern ihre Tochter denn lese, und schickte sie dann mit einem nahezu wahllos aus dem Regal geholten buch wieder davon. Denn mal ganz ehrlich – unsere Neuzugänge sind mindestens schon 5 Jahre auf dem Markt. Und wenn ich irgendetwas über spanische Literatur weiß, dann doch höchstens über diverse Klassiker, die so bedeutend sind, dass sie auch unsere Literaturgeschichten gestreift hätten. Ich hoffe dennoch, ihren Geschmack getroffen zu haben. Dafür ist Service schließlich da!
Ein ganz anderer Grund, mich über meine Arbeit zu freuen, ist derzeit noch der untere, kleine Ausstellungsraum. Dort haben wir nämlich bereits am 25. Oktober „meine“ Ausstellung über die Geheimnisse deutscher Autoren eröffnet, die ich „mal ganz nebenbei“ während der Öffnungszeiten entwickelt hatte. Die Zahl der Besucher zu diesem mehr oder weniger festlichen Auftakt kann, mangels der dritten Person nicht als „viele“ bezeichnet werden. Aber inklusive der Mitarbeiter, die zufällig vorbeikamen, meines Chefs und der Kulturbeauftragten waren wir immerhin sieben Personen. Dass die ganze Arbeit dennoch nicht spurlos an den Nutzern vorbeigeht, merke ich zum einen an gelegentlichen Lobesworten von denen, die sie gerade angesehen haben, bevor sie in die Bibliothek kommen und an den immer kleiner werdenden Stapeln von Infomaterialien, die wir regelmäßig dort auslegen. Wenn ich aber genau wissen will, wie viele Leute die Ausstellung besucht habe, müsste ich wohl die Aufnahmen der Sicherheitskameras auswerten. Eine aufwändige, aber untrügliche Methode. Nur fragt sich, ob mein Chef mir das erlauben würde.
"Meine" Ausstellung
Mein Chef, die Kulturbeauftragte und ich bei der Eröffnung
Unsere Gäste